Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

uns von seinem Wasser erzählt, und den seltsamen
Fischen, die darin sind, und wenn ein weißes Wölk¬
lein über ihm steht, so kömmt ein Gewitter."

"Und wenn ein weißes Wölklein über ihm steht,"
fuhr der Großvater fort, "und sonst heiterer Himmel
ist, so gesellen sich immer mehrere dazu, es wird ein
Wolkenheer, und das löst sich von dem Walde los,
und zieht zu uns mit dem Gewitter heraus, das uns
den schweren Regen bringt und auch öfter den Hagel.
Am Rande dieses Waldes, wo heut zu Tage schon
Felder sind, wo aber dazumal noch dichtes Gehölze
war, befand sich zur Zeit der Pest eine Pechbrenner¬
hütte. In derselben wohnte der Mann, von dem ich
dir erzählen will. Mein Großvater hat sie noch ge¬
kannt, und er hat gesagt, daß man zeitweilig von
dem Walde den Rauch habe aufsteigen sehen, wie du
heute die Rauchfäden hast aufsteigen gesehen, da
wir heraufgegangen sind."

"Ja Großvater," sagte ich.

"Dieser Pechbrenner," fuhr er fort, "wollte sich in
der Pest der allgemeinen Heimsuchung entziehen, die
Gott über die Menschen verhängt hatte. Er wollte
in den höchsten Wald hinauf gehen, wo nie ein
Besuch von Menschen hinkömmt, wo nie eine Luft
von Menschen hinkömmt, wo alles anders ist als

uns von ſeinem Waſſer erzählt, und den ſeltſamen
Fiſchen, die darin ſind, und wenn ein weißes Wölk¬
lein über ihm ſteht, ſo kömmt ein Gewitter.“

„Und wenn ein weißes Wölklein über ihm ſteht,“
fuhr der Großvater fort, „und ſonſt heiterer Himmel
iſt, ſo geſellen ſich immer mehrere dazu, es wird ein
Wolkenheer, und das löſt ſich von dem Walde los,
und zieht zu uns mit dem Gewitter heraus, das uns
den ſchweren Regen bringt und auch öfter den Hagel.
Am Rande dieſes Waldes, wo heut zu Tage ſchon
Felder ſind, wo aber dazumal noch dichtes Gehölze
war, befand ſich zur Zeit der Peſt eine Pechbrenner¬
hütte. In derſelben wohnte der Mann, von dem ich
dir erzählen will. Mein Großvater hat ſie noch ge¬
kannt, und er hat geſagt, daß man zeitweilig von
dem Walde den Rauch habe aufſteigen ſehen, wie du
heute die Rauchfäden haſt aufſteigen geſehen, da
wir heraufgegangen ſind.“

„Ja Großvater,“ ſagte ich.

„Dieſer Pechbrenner,“ fuhr er fort, „wollte ſich in
der Peſt der allgemeinen Heimſuchung entziehen, die
Gott über die Menſchen verhängt hatte. Er wollte
in den höchſten Wald hinauf gehen, wo nie ein
Beſuch von Menſchen hinkömmt, wo nie eine Luft
von Menſchen hinkömmt, wo alles anders iſt als

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0069" n="56"/>
uns von &#x017F;einem Wa&#x017F;&#x017F;er erzählt, und den &#x017F;elt&#x017F;amen<lb/>
Fi&#x017F;chen, die darin &#x017F;ind, und wenn ein weißes Wölk¬<lb/>
lein über ihm &#x017F;teht, &#x017F;o kömmt ein Gewitter.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Und wenn ein weißes Wölklein über ihm &#x017F;teht,&#x201C;<lb/>
fuhr der Großvater fort, &#x201E;und &#x017F;on&#x017F;t heiterer Himmel<lb/>
i&#x017F;t, &#x017F;o ge&#x017F;ellen &#x017F;ich immer mehrere dazu, es wird ein<lb/>
Wolkenheer, und das lö&#x017F;t &#x017F;ich von dem Walde los,<lb/>
und zieht zu uns mit dem Gewitter heraus, das uns<lb/>
den &#x017F;chweren Regen bringt und auch öfter den Hagel.<lb/>
Am Rande die&#x017F;es Waldes, wo heut zu Tage &#x017F;chon<lb/>
Felder &#x017F;ind, wo aber dazumal noch dichtes Gehölze<lb/>
war, befand &#x017F;ich zur Zeit der Pe&#x017F;t eine Pechbrenner¬<lb/>
hütte. In der&#x017F;elben wohnte der Mann, von dem ich<lb/>
dir erzählen will. Mein Großvater hat &#x017F;ie noch ge¬<lb/>
kannt, und er hat ge&#x017F;agt, daß man zeitweilig von<lb/>
dem Walde den Rauch habe auf&#x017F;teigen &#x017F;ehen, wie du<lb/>
heute die Rauchfäden ha&#x017F;t auf&#x017F;teigen ge&#x017F;ehen, da<lb/>
wir heraufgegangen &#x017F;ind.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ja Großvater,&#x201C; &#x017F;agte ich.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Die&#x017F;er Pechbrenner,&#x201C; fuhr er fort, &#x201E;wollte &#x017F;ich in<lb/>
der Pe&#x017F;t der allgemeinen Heim&#x017F;uchung entziehen, die<lb/>
Gott über die Men&#x017F;chen verhängt hatte. Er wollte<lb/>
in den höch&#x017F;ten Wald hinauf gehen, wo nie ein<lb/>
Be&#x017F;uch von Men&#x017F;chen hinkömmt, wo nie eine Luft<lb/>
von Men&#x017F;chen hinkömmt, wo alles anders i&#x017F;t als<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[56/0069] uns von ſeinem Waſſer erzählt, und den ſeltſamen Fiſchen, die darin ſind, und wenn ein weißes Wölk¬ lein über ihm ſteht, ſo kömmt ein Gewitter.“ „Und wenn ein weißes Wölklein über ihm ſteht,“ fuhr der Großvater fort, „und ſonſt heiterer Himmel iſt, ſo geſellen ſich immer mehrere dazu, es wird ein Wolkenheer, und das löſt ſich von dem Walde los, und zieht zu uns mit dem Gewitter heraus, das uns den ſchweren Regen bringt und auch öfter den Hagel. Am Rande dieſes Waldes, wo heut zu Tage ſchon Felder ſind, wo aber dazumal noch dichtes Gehölze war, befand ſich zur Zeit der Peſt eine Pechbrenner¬ hütte. In derſelben wohnte der Mann, von dem ich dir erzählen will. Mein Großvater hat ſie noch ge¬ kannt, und er hat geſagt, daß man zeitweilig von dem Walde den Rauch habe aufſteigen ſehen, wie du heute die Rauchfäden haſt aufſteigen geſehen, da wir heraufgegangen ſind.“ „Ja Großvater,“ ſagte ich. „Dieſer Pechbrenner,“ fuhr er fort, „wollte ſich in der Peſt der allgemeinen Heimſuchung entziehen, die Gott über die Menſchen verhängt hatte. Er wollte in den höchſten Wald hinauf gehen, wo nie ein Beſuch von Menſchen hinkömmt, wo nie eine Luft von Menſchen hinkömmt, wo alles anders iſt als

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/69
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/69>, abgerufen am 27.11.2024.