mache. Der Gebrauch stammt von den Heiden her, die früher in den Gegenden waren, denen jeder Tag gleich war, und denen man, als sie zum Christen¬ thume bekehrt waren, ein Zeichen geben mußte, daß der Gottestag im Anbrechen sei. Einstens wurde dieses Zeichen sehr beachtet; denn wenn die Gloke klang, betheten die Menschen, und sezten ihre harte Arbeit zu Hause oder auf dem Felde aus. Deine Großmutter, als sie noch ein junges Mädchen war, kniete jederzeit bei dem Feierabendläuten nieder, und that ein kurzes Gebeth. Wenn ich damals an Samstag- Abenden, so wie ich jezt in andere Gegenden gehe, nach Glökelberg ging, denn deine Großmutter ist von dem vordern Glökelberg zu Hause, so kniete sie oft bei dem Klange des Dorfglökleins mit ihrem rothen Leibchen und schneeweißen Rökchen neben dem Gehege nieder, und die Blüthen des Geheges waren eben so weiß und roth wie ihre Kleider."
"Großvater, sie bethet jezt auch noch immer, wenn Feierabend geläutet wird, in der Kammer neben dem blauen Schreine, der die rothen Blumen hat," sagte ich.
"Ja, das thut sie," erwiederte er, "aber die andern Leute beachten das Zeichen nicht, sie arbeiten fort auf dem Felde, und arbeiten fort in der Stube, wie ja auch die Schlage unsers Nachbars des Webers selbst
mache. Der Gebrauch ſtammt von den Heiden her, die früher in den Gegenden waren, denen jeder Tag gleich war, und denen man, als ſie zum Chriſten¬ thume bekehrt waren, ein Zeichen geben mußte, daß der Gottestag im Anbrechen ſei. Einſtens wurde dieſes Zeichen ſehr beachtet; denn wenn die Gloke klang, betheten die Menſchen, und ſezten ihre harte Arbeit zu Hauſe oder auf dem Felde aus. Deine Großmutter, als ſie noch ein junges Mädchen war, kniete jederzeit bei dem Feierabendläuten nieder, und that ein kurzes Gebeth. Wenn ich damals an Samſtag- Abenden, ſo wie ich jezt in andere Gegenden gehe, nach Glökelberg ging, denn deine Großmutter iſt von dem vordern Glökelberg zu Hauſe, ſo kniete ſie oft bei dem Klange des Dorfglökleins mit ihrem rothen Leibchen und ſchneeweißen Rökchen neben dem Gehege nieder, und die Blüthen des Geheges waren eben ſo weiß und roth wie ihre Kleider.“
„Großvater, ſie bethet jezt auch noch immer, wenn Feierabend geläutet wird, in der Kammer neben dem blauen Schreine, der die rothen Blumen hat,“ ſagte ich.
„Ja, das thut ſie,“ erwiederte er, „aber die andern Leute beachten das Zeichen nicht, ſie arbeiten fort auf dem Felde, und arbeiten fort in der Stube, wie ja auch die Schlage unſers Nachbars des Webers ſelbſt
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mache. Der Gebrauch ſtammt von den Heiden her,
die früher in den Gegenden waren, denen jeder Tag
gleich war, und denen man, als ſie zum Chriſten¬
thume bekehrt waren, ein Zeichen geben mußte, daß
der Gottestag im Anbrechen ſei. Einſtens wurde
dieſes Zeichen ſehr beachtet; denn wenn die Gloke
klang, betheten die Menſchen, und ſezten ihre harte
Arbeit zu Hauſe oder auf dem Felde aus. Deine
Großmutter, als ſie noch ein junges Mädchen war,
kniete jederzeit bei dem Feierabendläuten nieder, und
that ein kurzes Gebeth. Wenn ich damals an Samſtag-
Abenden, ſo wie ich jezt in andere Gegenden gehe,
nach Glökelberg ging, denn deine Großmutter iſt von
dem vordern Glökelberg zu Hauſe, ſo kniete ſie oft
bei dem Klange des Dorfglökleins mit ihrem rothen
Leibchen und ſchneeweißen Rökchen neben dem Gehege
nieder, und die Blüthen des Geheges waren eben ſo
weiß und roth wie ihre Kleider.“
„Großvater, ſie bethet jezt auch noch immer, wenn
Feierabend geläutet wird, in der Kammer neben dem
blauen Schreine, der die rothen Blumen hat,“ ſagte ich.
„Ja, das thut ſie,“ erwiederte er, „aber die andern
Leute beachten das Zeichen nicht, ſie arbeiten fort auf
dem Felde, und arbeiten fort in der Stube, wie ja
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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/59>, abgerufen am 17.07.2024.
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