nieder. Ich konnte nicht einmal weinen, das Herz war mir gepreßt, und die Kehle wie mit Schnüren zugeschnürt. Drinnen hörte ich die Mutter und die Magd berathschlagen, was zu thun sei, und fürch¬ tete, daß, wenn die Pechspuren nicht weg gingen, sie wieder herauskommen und mich weiter züchtigen würden.
In diesem Augenblike ging der Großvater bei der hintern Thür, die zu dem Brunnen und auf die Gartenwiese führt, herein, und ging gegen mich her¬ vor. Er war immer der Gütige gewesen, und hatte, wenn was immer für ein Unglük gegen uns Kinder herein gebrochen war, nie nach dem Schuldigen gefragt, sondern nur stets geholfen. Da er nun zu dem Plaze, auf dem ich saß, hervor gekommen war, blieb er stehen, und sah mich an. Als er den Zustand, in welchem ich mich befand, begriffen hatte, fragte er, was es denn gegeben habe, und wie es mit mir so geworden sei. Ich wollte mich nun erleichtern, allein ich konnte auch jezt wieder nichts erzählen, denn nun brachen bei dem Anblike seiner gütigen und wohl¬ meinenden Augen alle Thränen, die früher nicht her¬ vor zu kommen vermocht hatten, mit Gewalt heraus, und rannen in Strömen herab, so daß ich vor Weinen und Schluchzen nur gebrochene und verstümmelte
nieder. Ich konnte nicht einmal weinen, das Herz war mir gepreßt, und die Kehle wie mit Schnüren zugeſchnürt. Drinnen hörte ich die Mutter und die Magd berathſchlagen, was zu thun ſei, und fürch¬ tete, daß, wenn die Pechſpuren nicht weg gingen, ſie wieder herauskommen und mich weiter züchtigen würden.
In dieſem Augenblike ging der Großvater bei der hintern Thür, die zu dem Brunnen und auf die Gartenwieſe führt, herein, und ging gegen mich her¬ vor. Er war immer der Gütige geweſen, und hatte, wenn was immer für ein Unglük gegen uns Kinder herein gebrochen war, nie nach dem Schuldigen gefragt, ſondern nur ſtets geholfen. Da er nun zu dem Plaze, auf dem ich ſaß, hervor gekommen war, blieb er ſtehen, und ſah mich an. Als er den Zuſtand, in welchem ich mich befand, begriffen hatte, fragte er, was es denn gegeben habe, und wie es mit mir ſo geworden ſei. Ich wollte mich nun erleichtern, allein ich konnte auch jezt wieder nichts erzählen, denn nun brachen bei dem Anblike ſeiner gütigen und wohl¬ meinenden Augen alle Thränen, die früher nicht her¬ vor zu kommen vermocht hatten, mit Gewalt heraus, und rannen in Strömen herab, ſo daß ich vor Weinen und Schluchzen nur gebrochene und verſtümmelte
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nieder. Ich konnte nicht einmal weinen, das Herz
war mir gepreßt, und die Kehle wie mit Schnüren
zugeſchnürt. Drinnen hörte ich die Mutter und die
Magd berathſchlagen, was zu thun ſei, und fürch¬
tete, daß, wenn die Pechſpuren nicht weg gingen, ſie
wieder herauskommen und mich weiter züchtigen
würden.
In dieſem Augenblike ging der Großvater bei der
hintern Thür, die zu dem Brunnen und auf die
Gartenwieſe führt, herein, und ging gegen mich her¬
vor. Er war immer der Gütige geweſen, und hatte,
wenn was immer für ein Unglük gegen uns Kinder
herein gebrochen war, nie nach dem Schuldigen
gefragt, ſondern nur ſtets geholfen. Da er nun zu
dem Plaze, auf dem ich ſaß, hervor gekommen war,
blieb er ſtehen, und ſah mich an. Als er den Zuſtand,
in welchem ich mich befand, begriffen hatte, fragte er,
was es denn gegeben habe, und wie es mit mir ſo
geworden ſei. Ich wollte mich nun erleichtern, allein
ich konnte auch jezt wieder nichts erzählen, denn nun
brachen bei dem Anblike ſeiner gütigen und wohl¬
meinenden Augen alle Thränen, die früher nicht her¬
vor zu kommen vermocht hatten, mit Gewalt heraus,
und rannen in Strömen herab, ſo daß ich vor Weinen
und Schluchzen nur gebrochene und verſtümmelte
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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/39>, abgerufen am 24.11.2024.
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