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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.

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der Umgebung. Hier war hauptsächlich ich mit den
Kindern. Die vorderen Fenster sahen auf die breite
gerade und schöne Hauptstrasse der Vorstadt, in
welcher ein angenehmes nicht zu bewegtes Leben
herrschte, Kaufbuden und Waarenstände waren, und
Wägen fuhren, und Menschen gingen. In diesem
Theile der Wohnung war unser Gesellschaftszimmer
noch ein schönes Zimmer und das Arbeitsgemach
meines Mannes. Die Entfernung zwischen der
Stadt und dem Lande war so gleich und so kurz,
daß wir zu keinem einen großen Weg zurük zu legen
hatten.

Als einmal ein sehr schöner milder Morgen war, ich
glaube, es war zur Zeit des Frühlingsanbruches, als
mein Gatte bereits in der Stadt war, die Kinder aber
sich in der Schule befanden, ließ ich mich von der
einschmeichelnden Luft bewegen, die Fenster zu öffnen,
um die Wohnung zu lüften, und bei dieser Gelegen¬
heit, wie das immer so folgt, auch ein wenig Staub
abzuwischen, aufzuräumen, und dergleichen. Wir
hörten in unsere Wohnung gerne das Kirchenglöklein
des Krankenhauses, wenn es zur Messe rief, und ich
ging nicht selten, wenn ich eben darnach angekleidet
war, hinüber meine Andacht zu verrichten. Eben
tönte auch wieder das Glöklein durch die Lüfte, als

der Umgebung. Hier war hauptſächlich ich mit den
Kindern. Die vorderen Fenſter ſahen auf die breite
gerade und ſchöne Hauptſtraſſe der Vorſtadt, in
welcher ein angenehmes nicht zu bewegtes Leben
herrſchte, Kaufbuden und Waarenſtände waren, und
Wägen fuhren, und Menſchen gingen. In dieſem
Theile der Wohnung war unſer Geſellſchaftszimmer
noch ein ſchönes Zimmer und das Arbeitsgemach
meines Mannes. Die Entfernung zwiſchen der
Stadt und dem Lande war ſo gleich und ſo kurz,
daß wir zu keinem einen großen Weg zurük zu legen
hatten.

Als einmal ein ſehr ſchöner milder Morgen war, ich
glaube, es war zur Zeit des Frühlingsanbruches, als
mein Gatte bereits in der Stadt war, die Kinder aber
ſich in der Schule befanden, ließ ich mich von der
einſchmeichelnden Luft bewegen, die Fenſter zu öffnen,
um die Wohnung zu lüften, und bei dieſer Gelegen¬
heit, wie das immer ſo folgt, auch ein wenig Staub
abzuwiſchen, aufzuräumen, und dergleichen. Wir
hörten in unſere Wohnung gerne das Kirchenglöklein
des Krankenhauſes, wenn es zur Meſſe rief, und ich
ging nicht ſelten, wenn ich eben darnach angekleidet
war, hinüber meine Andacht zu verrichten. Eben
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[220/0233] der Umgebung. Hier war hauptſächlich ich mit den Kindern. Die vorderen Fenſter ſahen auf die breite gerade und ſchöne Hauptſtraſſe der Vorſtadt, in welcher ein angenehmes nicht zu bewegtes Leben herrſchte, Kaufbuden und Waarenſtände waren, und Wägen fuhren, und Menſchen gingen. In dieſem Theile der Wohnung war unſer Geſellſchaftszimmer noch ein ſchönes Zimmer und das Arbeitsgemach meines Mannes. Die Entfernung zwiſchen der Stadt und dem Lande war ſo gleich und ſo kurz, daß wir zu keinem einen großen Weg zurük zu legen hatten. Als einmal ein ſehr ſchöner milder Morgen war, ich glaube, es war zur Zeit des Frühlingsanbruches, als mein Gatte bereits in der Stadt war, die Kinder aber ſich in der Schule befanden, ließ ich mich von der einſchmeichelnden Luft bewegen, die Fenſter zu öffnen, um die Wohnung zu lüften, und bei dieſer Gelegen¬ heit, wie das immer ſo folgt, auch ein wenig Staub abzuwiſchen, aufzuräumen, und dergleichen. Wir hörten in unſere Wohnung gerne das Kirchenglöklein des Krankenhauſes, wenn es zur Meſſe rief, und ich ging nicht ſelten, wenn ich eben darnach angekleidet war, hinüber meine Andacht zu verrichten. Eben tönte auch wieder das Glöklein durch die Lüfte, als

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/233>, abgerufen am 28.11.2024.