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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.

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desselben angeschlagenen Zettel war zu lesen, daß sie
an einen neuen Miether zu vergeben sei.

Die Sache hatte in Wien großes Aufsehen ge¬
macht, man hatte mehr oder minder eine Ahnung von
dem wahren Sachverhalte, und redete eine geraume
Zeit davon. Einmal ging die Sage, der Rentherr sei
in den böhmischen Wäldern, wohne dort in einer
Höhle, halte das Kind in derselben verborgen, gehe
unter Tags aus, um sich den Lebensunterhalt zu
erwerben, und kehre Abends wieder in die Höhle
zurük. Aber es kamen andere Ereignisse der großen
Stadt, wie sich überhaupt die Dinge in solchen Orten
drängen, man redete von etwas anderem, und nach
Kurzem war der Rentherr und seine Begebenheit ver¬
gessen.


Es war seit der Zeit, in welcher sich das zuge¬
tragen hatte, was oben erzählt worden ist, eine
Reihe von Jahren vergangen. Die Erzählung rührt
von einer Freundin her, welche den Künstler recht gut
gekannt hat, und welche das genauere Verhältniß
desselben zur Familie des Rentherrn von seinen
Freunden erfahren hatte. Denn sie selber war zur
Zeit, da die Begebenheit sich zugetragen hatte, noch

desſelben angeſchlagenen Zettel war zu leſen, daß ſie
an einen neuen Miether zu vergeben ſei.

Die Sache hatte in Wien großes Aufſehen ge¬
macht, man hatte mehr oder minder eine Ahnung von
dem wahren Sachverhalte, und redete eine geraume
Zeit davon. Einmal ging die Sage, der Rentherr ſei
in den böhmiſchen Wäldern, wohne dort in einer
Höhle, halte das Kind in derſelben verborgen, gehe
unter Tags aus, um ſich den Lebensunterhalt zu
erwerben, und kehre Abends wieder in die Höhle
zurük. Aber es kamen andere Ereigniſſe der großen
Stadt, wie ſich überhaupt die Dinge in ſolchen Orten
drängen, man redete von etwas anderem, und nach
Kurzem war der Rentherr und ſeine Begebenheit ver¬
geſſen.


Es war ſeit der Zeit, in welcher ſich das zuge¬
tragen hatte, was oben erzählt worden iſt, eine
Reihe von Jahren vergangen. Die Erzählung rührt
von einer Freundin her, welche den Künſtler recht gut
gekannt hat, und welche das genauere Verhältniß
desſelben zur Familie des Rentherrn von ſeinen
Freunden erfahren hatte. Denn ſie ſelber war zur
Zeit, da die Begebenheit ſich zugetragen hatte, noch

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[218/0231] desſelben angeſchlagenen Zettel war zu leſen, daß ſie an einen neuen Miether zu vergeben ſei. Die Sache hatte in Wien großes Aufſehen ge¬ macht, man hatte mehr oder minder eine Ahnung von dem wahren Sachverhalte, und redete eine geraume Zeit davon. Einmal ging die Sage, der Rentherr ſei in den böhmiſchen Wäldern, wohne dort in einer Höhle, halte das Kind in derſelben verborgen, gehe unter Tags aus, um ſich den Lebensunterhalt zu erwerben, und kehre Abends wieder in die Höhle zurük. Aber es kamen andere Ereigniſſe der großen Stadt, wie ſich überhaupt die Dinge in ſolchen Orten drängen, man redete von etwas anderem, und nach Kurzem war der Rentherr und ſeine Begebenheit ver¬ geſſen. Es war ſeit der Zeit, in welcher ſich das zuge¬ tragen hatte, was oben erzählt worden iſt, eine Reihe von Jahren vergangen. Die Erzählung rührt von einer Freundin her, welche den Künſtler recht gut gekannt hat, und welche das genauere Verhältniß desſelben zur Familie des Rentherrn von ſeinen Freunden erfahren hatte. Denn ſie ſelber war zur Zeit, da die Begebenheit ſich zugetragen hatte, noch

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/231>, abgerufen am 22.11.2024.