Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

die heilige Mutter schaute von dem Bilde nieder, die
rothe Umhüllung war grau, der vergoldete Engel hielt
die Spize des Linnenzeltes, aber auf den Linnen lag
der Staub und unter ihnen war der leere Korb, und
in ihm nicht mehr das rosige Angesicht des Kindes.

Das Amt nahm alle Gegenstände dadurch in Em¬
pfang, daß es dieselben in ein Buch verzeichnete.
Dann wurden sie in zwei Zimmer zusammen gestellt,
daß man sie besser übersehen, und überwachen könnte.
Hierauf wurde die Wohnung wieder verschlossen, und
versiegelt.

Unter den vorgefundenen Sachen war nichts,
was von dem Aufenthalte und den weiteren Verhält¬
nissen des Rentherrn hätte Kunde geben können. Auch
kein Geld wurde gefunden, man vermuthete, daß er
alles bare auf die Reise mitgenommen habe.

Der Tag der Versteigerung wurde anberaumt,
und als diese vor sich gegangen war, wurde ein Theil
des Erlöses dem Besizer des Hauses als angewachsener
Miethbetrag sammt dessen Zinsen gegeben, der Rest
für den abwesenden Rentherrn von dem Amte in Ver¬
wahrung genommen. Die Helden waren sämmtlich
von den Wänden abgelöset worden, die Wohnung
in dem vierten Stokwerke im Hause auf dem Sanct
Petersplaze stand leer, und auf einem an dem Thore

die heilige Mutter ſchaute von dem Bilde nieder, die
rothe Umhüllung war grau, der vergoldete Engel hielt
die Spize des Linnenzeltes, aber auf den Linnen lag
der Staub und unter ihnen war der leere Korb, und
in ihm nicht mehr das roſige Angeſicht des Kindes.

Das Amt nahm alle Gegenſtände dadurch in Em¬
pfang, daß es dieſelben in ein Buch verzeichnete.
Dann wurden ſie in zwei Zimmer zuſammen geſtellt,
daß man ſie beſſer überſehen, und überwachen könnte.
Hierauf wurde die Wohnung wieder verſchloſſen, und
verſiegelt.

Unter den vorgefundenen Sachen war nichts,
was von dem Aufenthalte und den weiteren Verhält¬
niſſen des Rentherrn hätte Kunde geben können. Auch
kein Geld wurde gefunden, man vermuthete, daß er
alles bare auf die Reiſe mitgenommen habe.

Der Tag der Verſteigerung wurde anberaumt,
und als dieſe vor ſich gegangen war, wurde ein Theil
des Erlöſes dem Beſizer des Hauſes als angewachſener
Miethbetrag ſammt deſſen Zinſen gegeben, der Reſt
für den abweſenden Rentherrn von dem Amte in Ver¬
wahrung genommen. Die Helden waren ſämmtlich
von den Wänden abgelöſet worden, die Wohnung
in dem vierten Stokwerke im Hauſe auf dem Sanct
Petersplaze ſtand leer, und auf einem an dem Thore

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0230" n="217"/>
die heilige Mutter &#x017F;chaute von dem Bilde nieder, die<lb/>
rothe Umhüllung war grau, der vergoldete Engel hielt<lb/>
die Spize des Linnenzeltes, aber auf den Linnen lag<lb/>
der Staub und unter ihnen war der leere Korb, und<lb/>
in ihm nicht mehr das ro&#x017F;ige Ange&#x017F;icht des Kindes.</p><lb/>
        <p>Das Amt nahm alle Gegen&#x017F;tände dadurch in Em¬<lb/>
pfang, daß es die&#x017F;elben in ein Buch verzeichnete.<lb/>
Dann wurden &#x017F;ie in zwei Zimmer zu&#x017F;ammen ge&#x017F;tellt,<lb/>
daß man &#x017F;ie be&#x017F;&#x017F;er über&#x017F;ehen, und überwachen könnte.<lb/>
Hierauf wurde die Wohnung wieder ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, und<lb/>
ver&#x017F;iegelt.</p><lb/>
        <p>Unter den vorgefundenen Sachen war nichts,<lb/>
was von dem Aufenthalte und den weiteren Verhält¬<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;en des Rentherrn hätte Kunde geben können. Auch<lb/>
kein Geld wurde gefunden, man vermuthete, daß er<lb/>
alles bare auf die Rei&#x017F;e mitgenommen habe.</p><lb/>
        <p>Der Tag der Ver&#x017F;teigerung wurde anberaumt,<lb/>
und als die&#x017F;e vor &#x017F;ich gegangen war, wurde ein Theil<lb/>
des Erlö&#x017F;es dem Be&#x017F;izer des Hau&#x017F;es als angewach&#x017F;ener<lb/>
Miethbetrag &#x017F;ammt de&#x017F;&#x017F;en Zin&#x017F;en gegeben, der Re&#x017F;t<lb/>
für den abwe&#x017F;enden Rentherrn von dem Amte in Ver¬<lb/>
wahrung genommen. Die Helden waren &#x017F;ämmtlich<lb/>
von den Wänden abgelö&#x017F;et worden, die Wohnung<lb/>
in dem vierten Stokwerke im Hau&#x017F;e auf dem Sanct<lb/>
Petersplaze &#x017F;tand leer, und auf einem an dem Thore<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[217/0230] die heilige Mutter ſchaute von dem Bilde nieder, die rothe Umhüllung war grau, der vergoldete Engel hielt die Spize des Linnenzeltes, aber auf den Linnen lag der Staub und unter ihnen war der leere Korb, und in ihm nicht mehr das roſige Angeſicht des Kindes. Das Amt nahm alle Gegenſtände dadurch in Em¬ pfang, daß es dieſelben in ein Buch verzeichnete. Dann wurden ſie in zwei Zimmer zuſammen geſtellt, daß man ſie beſſer überſehen, und überwachen könnte. Hierauf wurde die Wohnung wieder verſchloſſen, und verſiegelt. Unter den vorgefundenen Sachen war nichts, was von dem Aufenthalte und den weiteren Verhält¬ niſſen des Rentherrn hätte Kunde geben können. Auch kein Geld wurde gefunden, man vermuthete, daß er alles bare auf die Reiſe mitgenommen habe. Der Tag der Verſteigerung wurde anberaumt, und als dieſe vor ſich gegangen war, wurde ein Theil des Erlöſes dem Beſizer des Hauſes als angewachſener Miethbetrag ſammt deſſen Zinſen gegeben, der Reſt für den abweſenden Rentherrn von dem Amte in Ver¬ wahrung genommen. Die Helden waren ſämmtlich von den Wänden abgelöſet worden, die Wohnung in dem vierten Stokwerke im Hauſe auf dem Sanct Petersplaze ſtand leer, und auf einem an dem Thore

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/230
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/230>, abgerufen am 22.11.2024.