ihn zur Erde zu bestatten. Bei der Einsenkung haben viele der herbeigekommenen Menschen geweint.
Ich erkundigte mich nun auch um den Miethmann im ersten Stokwerke. Er kam selbst in das Vorhaus des Pfarrhofes herunter, in dem ich mich befand, und sprach mit mir. Er hatte fast keine Haare mehr, und trug daher ein schwarzes Käppchen auf seinem Haupte. Ich fragte nach seiner schönen Tochter, die damals, als sie in meiner Gegenwart öfter in das Krankenzimmer des Pfarrers gekommen war, ein jun¬ ges rasches Mädchen gewesen war. Sie war in der Hauptstadt verheirathet, und war Mutter von bei¬ nahe erwachsenen Kindern. Auch diese war in den lezten Tagen des Pfarrers nicht um ihn gewesen. Der Miethmann sagte mir, daß er jezt wohl zu seiner Tochter werde ziehen müssen, da er bei der Wiederbe¬ sezung der Pfarre gewiß seine Wohnung verlieren, und im Kar keine andere finden werde.
Die alte Sabine war die einzige, die sich nicht geändert hatte, sie sah gerade so aus, wie damals, als sie bei meiner ersten Anwesenheit den Pfarrer in seiner Krankheit gepflegt hatte. Niemand wußte, wie alt sie sei, und sie wußte es selbst nicht.
Ich mußte deßhalb in dem Vorhause des Pfarrho¬ fes stehen bleiben, weil das Stüblein und das neben
ihn zur Erde zu beſtatten. Bei der Einſenkung haben viele der herbeigekommenen Menſchen geweint.
Ich erkundigte mich nun auch um den Miethmann im erſten Stokwerke. Er kam ſelbſt in das Vorhaus des Pfarrhofes herunter, in dem ich mich befand, und ſprach mit mir. Er hatte faſt keine Haare mehr, und trug daher ein ſchwarzes Käppchen auf ſeinem Haupte. Ich fragte nach ſeiner ſchönen Tochter, die damals, als ſie in meiner Gegenwart öfter in das Krankenzimmer des Pfarrers gekommen war, ein jun¬ ges raſches Mädchen geweſen war. Sie war in der Hauptſtadt verheirathet, und war Mutter von bei¬ nahe erwachſenen Kindern. Auch dieſe war in den lezten Tagen des Pfarrers nicht um ihn geweſen. Der Miethmann ſagte mir, daß er jezt wohl zu ſeiner Tochter werde ziehen müſſen, da er bei der Wiederbe¬ ſezung der Pfarre gewiß ſeine Wohnung verlieren, und im Kar keine andere finden werde.
Die alte Sabine war die einzige, die ſich nicht geändert hatte, ſie ſah gerade ſo aus, wie damals, als ſie bei meiner erſten Anweſenheit den Pfarrer in ſeiner Krankheit gepflegt hatte. Niemand wußte, wie alt ſie ſei, und ſie wußte es ſelbſt nicht.
Ich mußte deßhalb in dem Vorhauſe des Pfarrho¬ fes ſtehen bleiben, weil das Stüblein und das neben
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ihn zur Erde zu beſtatten. Bei der Einſenkung haben
viele der herbeigekommenen Menſchen geweint.
Ich erkundigte mich nun auch um den Miethmann
im erſten Stokwerke. Er kam ſelbſt in das Vorhaus
des Pfarrhofes herunter, in dem ich mich befand,
und ſprach mit mir. Er hatte faſt keine Haare mehr,
und trug daher ein ſchwarzes Käppchen auf ſeinem
Haupte. Ich fragte nach ſeiner ſchönen Tochter, die
damals, als ſie in meiner Gegenwart öfter in das
Krankenzimmer des Pfarrers gekommen war, ein jun¬
ges raſches Mädchen geweſen war. Sie war in der
Hauptſtadt verheirathet, und war Mutter von bei¬
nahe erwachſenen Kindern. Auch dieſe war in den
lezten Tagen des Pfarrers nicht um ihn geweſen. Der
Miethmann ſagte mir, daß er jezt wohl zu ſeiner
Tochter werde ziehen müſſen, da er bei der Wiederbe¬
ſezung der Pfarre gewiß ſeine Wohnung verlieren,
und im Kar keine andere finden werde.
Die alte Sabine war die einzige, die ſich nicht
geändert hatte, ſie ſah gerade ſo aus, wie damals,
als ſie bei meiner erſten Anweſenheit den Pfarrer in
ſeiner Krankheit gepflegt hatte. Niemand wußte, wie
alt ſie ſei, und ſie wußte es ſelbſt nicht.
Ich mußte deßhalb in dem Vorhauſe des Pfarrho¬
fes ſtehen bleiben, weil das Stüblein und das neben
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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/197>, abgerufen am 16.07.2024.
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