Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

Da der Schullehrer zwei Briefe geschrieben hatte,
in denen er sagte, daß mit dem Pfarrer keine Verän¬
derung vorgegangen sei, kam ein dritter, der meldete,
daß derselbe nach Empfang der heiligen Sterbsakra¬
mente verschieden sei.

Ich machte mir Vorwürfe, sezte jezt alles beiseite,
und machte mich reisefertig. Ich zog das versiegelte
Papier aus meinem Schreine hervor, ich nahm auch
die Briefe des Pfarrers mit, die zur Erweisung der
Handschrift dienen könnten, und begab mich auf den
Weg nach Karsberg.

Als ich daselbst angekommen war, erhielt ich die
Auskunft, daß ein Testament des Pfarrers in dem
Schlosse gerichtlich niedergelegt worden sei, daß man
ein zweites in seiner Verlassenschaft gefunden habe,
und daß ich mich in zwei Tagen in dem Schlosse ein¬
finden solle, um mein Testament vorzuzeigen, worauf
die Öffnung und Prüfung der Testamente statt haben
würde.

Ich begab mich während dieser zwei Tage in das
Kar. Der Schullehrer erzählte mir über die lezten
Tage des Pfarrers. Er sei ruhig in seiner Krankheit
gelegen, wie in jener, da ich ihn so oft besucht habe.
Er habe wieder keine Arznei genommen, bis der Pfar¬
rer aus der Wenn, ein Nachbar des Pfarrers im Kar,

Da der Schullehrer zwei Briefe geſchrieben hatte,
in denen er ſagte, daß mit dem Pfarrer keine Verän¬
derung vorgegangen ſei, kam ein dritter, der meldete,
daß derſelbe nach Empfang der heiligen Sterbſakra¬
mente verſchieden ſei.

Ich machte mir Vorwürfe, ſezte jezt alles beiſeite,
und machte mich reiſefertig. Ich zog das verſiegelte
Papier aus meinem Schreine hervor, ich nahm auch
die Briefe des Pfarrers mit, die zur Erweiſung der
Handſchrift dienen könnten, und begab mich auf den
Weg nach Karsberg.

Als ich daſelbſt angekommen war, erhielt ich die
Auskunft, daß ein Teſtament des Pfarrers in dem
Schloſſe gerichtlich niedergelegt worden ſei, daß man
ein zweites in ſeiner Verlaſſenſchaft gefunden habe,
und daß ich mich in zwei Tagen in dem Schloſſe ein¬
finden ſolle, um mein Teſtament vorzuzeigen, worauf
die Öffnung und Prüfung der Teſtamente ſtatt haben
würde.

Ich begab mich während dieſer zwei Tage in das
Kar. Der Schullehrer erzählte mir über die lezten
Tage des Pfarrers. Er ſei ruhig in ſeiner Krankheit
gelegen, wie in jener, da ich ihn ſo oft beſucht habe.
Er habe wieder keine Arznei genommen, bis der Pfar¬
rer aus der Wenn, ein Nachbar des Pfarrers im Kar,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0195" n="182"/>
        <p>Da der Schullehrer zwei Briefe ge&#x017F;chrieben hatte,<lb/>
in denen er &#x017F;agte, daß mit dem Pfarrer keine Verän¬<lb/>
derung vorgegangen &#x017F;ei, kam ein dritter, der meldete,<lb/>
daß der&#x017F;elbe nach Empfang der heiligen Sterb&#x017F;akra¬<lb/>
mente ver&#x017F;chieden &#x017F;ei.</p><lb/>
        <p>Ich machte mir Vorwürfe, &#x017F;ezte jezt alles bei&#x017F;eite,<lb/>
und machte mich rei&#x017F;efertig. Ich zog das ver&#x017F;iegelte<lb/>
Papier aus meinem Schreine hervor, ich nahm auch<lb/>
die Briefe des Pfarrers mit, die zur Erwei&#x017F;ung der<lb/>
Hand&#x017F;chrift dienen könnten, und begab mich auf den<lb/>
Weg nach Karsberg.</p><lb/>
        <p>Als ich da&#x017F;elb&#x017F;t angekommen war, erhielt ich die<lb/>
Auskunft, daß ein Te&#x017F;tament des Pfarrers in dem<lb/>
Schlo&#x017F;&#x017F;e gerichtlich niedergelegt worden &#x017F;ei, daß man<lb/>
ein zweites in &#x017F;einer Verla&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft gefunden habe,<lb/>
und daß ich mich in zwei Tagen in dem Schlo&#x017F;&#x017F;e ein¬<lb/>
finden &#x017F;olle, um mein Te&#x017F;tament vorzuzeigen, worauf<lb/>
die Öffnung und Prüfung der Te&#x017F;tamente &#x017F;tatt haben<lb/>
würde.</p><lb/>
        <p>Ich begab mich während die&#x017F;er zwei Tage in das<lb/>
Kar. Der Schullehrer erzählte mir über die lezten<lb/>
Tage des Pfarrers. Er &#x017F;ei ruhig in &#x017F;einer Krankheit<lb/>
gelegen, wie in jener, da ich ihn &#x017F;o oft be&#x017F;ucht habe.<lb/>
Er habe wieder keine Arznei genommen, bis der Pfar¬<lb/>
rer aus der Wenn, ein Nachbar des Pfarrers im Kar,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[182/0195] Da der Schullehrer zwei Briefe geſchrieben hatte, in denen er ſagte, daß mit dem Pfarrer keine Verän¬ derung vorgegangen ſei, kam ein dritter, der meldete, daß derſelbe nach Empfang der heiligen Sterbſakra¬ mente verſchieden ſei. Ich machte mir Vorwürfe, ſezte jezt alles beiſeite, und machte mich reiſefertig. Ich zog das verſiegelte Papier aus meinem Schreine hervor, ich nahm auch die Briefe des Pfarrers mit, die zur Erweiſung der Handſchrift dienen könnten, und begab mich auf den Weg nach Karsberg. Als ich daſelbſt angekommen war, erhielt ich die Auskunft, daß ein Teſtament des Pfarrers in dem Schloſſe gerichtlich niedergelegt worden ſei, daß man ein zweites in ſeiner Verlaſſenſchaft gefunden habe, und daß ich mich in zwei Tagen in dem Schloſſe ein¬ finden ſolle, um mein Teſtament vorzuzeigen, worauf die Öffnung und Prüfung der Teſtamente ſtatt haben würde. Ich begab mich während dieſer zwei Tage in das Kar. Der Schullehrer erzählte mir über die lezten Tage des Pfarrers. Er ſei ruhig in ſeiner Krankheit gelegen, wie in jener, da ich ihn ſo oft beſucht habe. Er habe wieder keine Arznei genommen, bis der Pfar¬ rer aus der Wenn, ein Nachbar des Pfarrers im Kar,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/195
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/195>, abgerufen am 23.11.2024.