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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.

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dern Orte das Gespräch wieder lebhafter wurde, wandte
er sich dorthin, und hörte zu. Selber aber sprach er
kein Wort. Er saß ziemlich weit unten, und seine schwarze
Gestalt ragte über das weiße Linnengedeke der Tafel
empor, und obwohl er nicht groß war, so richtete er sich
nie vollends auf, als hielte er das für unschiklich. Er
hatte den Anzug eines armen Landgeistlichen. Sein Rok
war sehr abgetragen, die Fäden waren daran sichtbar,
er glänzte an manchen Stellen, und an andern hatte er
die schwarze Farbe verloren, und war röthlich oder
fahl. Die Knöpfe daran waren von starkem Bein.
Die schwarze Weste war sehr lang, und hatte eben¬
falls beinerne Knöpfe. Die zwei winzig kleinen Läpp¬
chen von weißer Farbe -- das einzige Weiße, das er
an sich hatte -- die über sein schwarzes Halstuch
herabgingen, bezeugten seine Würde. Bei den Ärmeln
gingen, wie er so saß, manchmal ein ganz klein
wenig eine Art Handkrausen hervor, die er immer
bemüht war wieder heimlich zurük zu schieben. Viel¬
leicht waren sie in einem Zustande, daß er sich ihrer
ein wenig hätte schämen müssen. Ich sah, daß er von
keiner Speise viel nahm, und dem Aufwärter, der
sie darreichte, immer höflich dankte. Als der Nachtisch
kam, nippte er kaum von dem besseren Weine, nahm
von dem Zukerwerke nur kleine Stükchen, und legte

dern Orte das Geſpräch wieder lebhafter wurde, wandte
er ſich dorthin, und hörte zu. Selber aber ſprach er
kein Wort. Er ſaß ziemlich weit unten, und ſeine ſchwarze
Geſtalt ragte über das weiße Linnengedeke der Tafel
empor, und obwohl er nicht groß war, ſo richtete er ſich
nie vollends auf, als hielte er das für unſchiklich. Er
hatte den Anzug eines armen Landgeiſtlichen. Sein Rok
war ſehr abgetragen, die Fäden waren daran ſichtbar,
er glänzte an manchen Stellen, und an andern hatte er
die ſchwarze Farbe verloren, und war röthlich oder
fahl. Die Knöpfe daran waren von ſtarkem Bein.
Die ſchwarze Weſte war ſehr lang, und hatte eben¬
falls beinerne Knöpfe. Die zwei winzig kleinen Läpp¬
chen von weißer Farbe — das einzige Weiße, das er
an ſich hatte — die über ſein ſchwarzes Halstuch
herabgingen, bezeugten ſeine Würde. Bei den Ärmeln
gingen, wie er ſo ſaß, manchmal ein ganz klein
wenig eine Art Handkrauſen hervor, die er immer
bemüht war wieder heimlich zurük zu ſchieben. Viel¬
leicht waren ſie in einem Zuſtande, daß er ſich ihrer
ein wenig hätte ſchämen müſſen. Ich ſah, daß er von
keiner Speiſe viel nahm, und dem Aufwärter, der
ſie darreichte, immer höflich dankte. Als der Nachtiſch
kam, nippte er kaum von dem beſſeren Weine, nahm
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[87/0100] dern Orte das Geſpräch wieder lebhafter wurde, wandte er ſich dorthin, und hörte zu. Selber aber ſprach er kein Wort. Er ſaß ziemlich weit unten, und ſeine ſchwarze Geſtalt ragte über das weiße Linnengedeke der Tafel empor, und obwohl er nicht groß war, ſo richtete er ſich nie vollends auf, als hielte er das für unſchiklich. Er hatte den Anzug eines armen Landgeiſtlichen. Sein Rok war ſehr abgetragen, die Fäden waren daran ſichtbar, er glänzte an manchen Stellen, und an andern hatte er die ſchwarze Farbe verloren, und war röthlich oder fahl. Die Knöpfe daran waren von ſtarkem Bein. Die ſchwarze Weſte war ſehr lang, und hatte eben¬ falls beinerne Knöpfe. Die zwei winzig kleinen Läpp¬ chen von weißer Farbe — das einzige Weiße, das er an ſich hatte — die über ſein ſchwarzes Halstuch herabgingen, bezeugten ſeine Würde. Bei den Ärmeln gingen, wie er ſo ſaß, manchmal ein ganz klein wenig eine Art Handkrauſen hervor, die er immer bemüht war wieder heimlich zurük zu ſchieben. Viel¬ leicht waren ſie in einem Zuſtande, daß er ſich ihrer ein wenig hätte ſchämen müſſen. Ich ſah, daß er von keiner Speiſe viel nahm, und dem Aufwärter, der ſie darreichte, immer höflich dankte. Als der Nachtiſch kam, nippte er kaum von dem beſſeren Weine, nahm von dem Zukerwerke nur kleine Stükchen, und legte

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/100>, abgerufen am 29.11.2024.