tilden und mit noch andern Frauen und Mädchen trat herein. Sie war prachtvoll gekleidet und mit Edel¬ steinen gleichsam übersät; aber sie war sehr blaß. Die Edelsteine waren in mittelalterlicher Fassung, das sah ich wohl; aber ich hatte nicht die Stimmung, auch nur einen Augenblick darauf zu achten. Ich ging ihr entgegen, und reichte ihr sanft die Hand zum Gruße. Sie zitterte sehr.
Mein Gastfreund sagte zu meinen Eltern: "Das Lieblingsgespräch eures Sohnes waren bisher seine Eltern und seine Schwester, wer ein so guter Sohn ist, wird auch ein guter Gatte werden."
"Die schöneren Eigenschaften, die eine Zukunft gewähren," sagte mein Vater, "hat er von euch ge¬ bracht, wir haben es wohl gesehen, und haben ihn darum immer mehr geliebt, ihr habt ihn gebildet und veredelt."
"Ich muß antworten wie bei Natalien," erwie¬ derte mein Gastfreund, "sein Selbst hat sich entwickelt, und aller Umgang, der ihm zu Theil geworden, vor¬ erst der eurige, hat geholfen."
Ich wollte etwas sprechen, konnte aber vor Be¬ wegung nicht.
tilden und mit noch andern Frauen und Mädchen trat herein. Sie war prachtvoll gekleidet und mit Edel¬ ſteinen gleichſam überſät; aber ſie war ſehr blaß. Die Edelſteine waren in mittelalterlicher Faſſung, das ſah ich wohl; aber ich hatte nicht die Stimmung, auch nur einen Augenblick darauf zu achten. Ich ging ihr entgegen, und reichte ihr ſanft die Hand zum Gruße. Sie zitterte ſehr.
Mein Gaſtfreund ſagte zu meinen Eltern: „Das Lieblingsgeſpräch eures Sohnes waren bisher ſeine Eltern und ſeine Schweſter, wer ein ſo guter Sohn iſt, wird auch ein guter Gatte werden.“
„Die ſchöneren Eigenſchaften, die eine Zukunft gewähren,“ ſagte mein Vater, „hat er von euch ge¬ bracht, wir haben es wohl geſehen, und haben ihn darum immer mehr geliebt, ihr habt ihn gebildet und veredelt.“
„Ich muß antworten wie bei Natalien,“ erwie¬ derte mein Gaſtfreund, „ſein Selbſt hat ſich entwickelt, und aller Umgang, der ihm zu Theil geworden, vor¬ erſt der eurige, hat geholfen.“
Ich wollte etwas ſprechen, konnte aber vor Be¬ wegung nicht.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0422"n="408"/>
tilden und mit noch andern Frauen und Mädchen trat<lb/>
herein. Sie war prachtvoll gekleidet und mit Edel¬<lb/>ſteinen gleichſam überſät; aber ſie war ſehr blaß. Die<lb/>
Edelſteine waren in mittelalterlicher Faſſung, das ſah<lb/>
ich wohl; aber ich hatte nicht die Stimmung, auch<lb/>
nur einen Augenblick darauf zu achten. Ich ging ihr<lb/>
entgegen, und reichte ihr ſanft die Hand zum Gruße.<lb/>
Sie zitterte ſehr.</p><lb/><p>Mein Gaſtfreund ſagte zu meinen Eltern: „Das<lb/>
Lieblingsgeſpräch eures Sohnes waren bisher ſeine<lb/>
Eltern und ſeine Schweſter, wer ein ſo guter Sohn<lb/>
iſt, wird auch ein guter Gatte werden.“</p><lb/><p>„Die ſchöneren Eigenſchaften, die eine Zukunft<lb/>
gewähren,“ſagte mein Vater, „hat er von euch ge¬<lb/>
bracht, wir haben es wohl geſehen, und haben ihn<lb/>
darum immer mehr geliebt, ihr habt ihn gebildet und<lb/>
veredelt.“</p><lb/><p>„Ich muß antworten wie bei Natalien,“ erwie¬<lb/>
derte mein Gaſtfreund, „ſein Selbſt hat ſich entwickelt,<lb/>
und aller Umgang, der ihm zu Theil geworden, vor¬<lb/>
erſt der eurige, hat geholfen.“</p><lb/><p>Ich wollte etwas ſprechen, konnte aber vor Be¬<lb/>
wegung nicht.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[408/0422]
tilden und mit noch andern Frauen und Mädchen trat
herein. Sie war prachtvoll gekleidet und mit Edel¬
ſteinen gleichſam überſät; aber ſie war ſehr blaß. Die
Edelſteine waren in mittelalterlicher Faſſung, das ſah
ich wohl; aber ich hatte nicht die Stimmung, auch
nur einen Augenblick darauf zu achten. Ich ging ihr
entgegen, und reichte ihr ſanft die Hand zum Gruße.
Sie zitterte ſehr.
Mein Gaſtfreund ſagte zu meinen Eltern: „Das
Lieblingsgeſpräch eures Sohnes waren bisher ſeine
Eltern und ſeine Schweſter, wer ein ſo guter Sohn
iſt, wird auch ein guter Gatte werden.“
„Die ſchöneren Eigenſchaften, die eine Zukunft
gewähren,“ ſagte mein Vater, „hat er von euch ge¬
bracht, wir haben es wohl geſehen, und haben ihn
darum immer mehr geliebt, ihr habt ihn gebildet und
veredelt.“
„Ich muß antworten wie bei Natalien,“ erwie¬
derte mein Gaſtfreund, „ſein Selbſt hat ſich entwickelt,
und aller Umgang, der ihm zu Theil geworden, vor¬
erſt der eurige, hat geholfen.“
Ich wollte etwas ſprechen, konnte aber vor Be¬
wegung nicht.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/422>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.