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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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talie und Klotilde waren fast unzertrennlich, sie schlos¬
sen sich an einander an, bezeigten sich jede Innigkeit,
und oft, wenn wir alle in das Schloß zurückgekehrt
waren, gingen sie noch auf einem einsamen Wege des
Gartens oder auf einem Pfade des nächstgelegenen
Feldes herum.

"Siehst du, Klotilde," sagte ich, "ich konnte dir
kein Bild von Natalien bringen, weil keins da war,
jezt hast du sie selber."

"Um wie viel lieber als jedes Bild," antwortete
sie, "aber ein Bild muß doch ausgeführt werden, da¬
mit man später wisse, wie sie in diesen Jahren aus¬
gesehen habe."

Acht Tage entließ uns Mathilde nicht von dem
Sternenhofe, und jeder Tag fand seine freundliche
Beschäftigung. Am neunten wurden die Anstalten
gemacht, daß wir alle in das Rosenhaus abreisen
konnten. Mathilde und die Eltern fuhren in unserem
Reisewagen. Natalie Klotilde und ich in dem Wagen
Mathildens.

Als wir den Hügel hinanfuhren, konnte mein
Vater seine Neugierde kaum mehr bemeistern. Ich sah
ihn öfter in dem Wagen aufstehen, und herumblicken.
Es war ein wolkig heiterer Tag, Strichregen gingen

talie und Klotilde waren faſt unzertrennlich, ſie ſchloſ¬
ſen ſich an einander an, bezeigten ſich jede Innigkeit,
und oft, wenn wir alle in das Schloß zurückgekehrt
waren, gingen ſie noch auf einem einſamen Wege des
Gartens oder auf einem Pfade des nächſtgelegenen
Feldes herum.

„Siehſt du, Klotilde,“ ſagte ich, „ich konnte dir
kein Bild von Natalien bringen, weil keins da war,
jezt haſt du ſie ſelber.“

„Um wie viel lieber als jedes Bild,“ antwortete
ſie, „aber ein Bild muß doch ausgeführt werden, da¬
mit man ſpäter wiſſe, wie ſie in dieſen Jahren aus¬
geſehen habe.“

Acht Tage entließ uns Mathilde nicht von dem
Sternenhofe, und jeder Tag fand ſeine freundliche
Beſchäftigung. Am neunten wurden die Anſtalten
gemacht, daß wir alle in das Roſenhaus abreiſen
konnten. Mathilde und die Eltern fuhren in unſerem
Reiſewagen. Natalie Klotilde und ich in dem Wagen
Mathildens.

Als wir den Hügel hinanfuhren, konnte mein
Vater ſeine Neugierde kaum mehr bemeiſtern. Ich ſah
ihn öfter in dem Wagen aufſtehen, und herumblicken.
Es war ein wolkig heiterer Tag, Strichregen gingen

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[373/0387] talie und Klotilde waren faſt unzertrennlich, ſie ſchloſ¬ ſen ſich an einander an, bezeigten ſich jede Innigkeit, und oft, wenn wir alle in das Schloß zurückgekehrt waren, gingen ſie noch auf einem einſamen Wege des Gartens oder auf einem Pfade des nächſtgelegenen Feldes herum. „Siehſt du, Klotilde,“ ſagte ich, „ich konnte dir kein Bild von Natalien bringen, weil keins da war, jezt haſt du ſie ſelber.“ „Um wie viel lieber als jedes Bild,“ antwortete ſie, „aber ein Bild muß doch ausgeführt werden, da¬ mit man ſpäter wiſſe, wie ſie in dieſen Jahren aus¬ geſehen habe.“ Acht Tage entließ uns Mathilde nicht von dem Sternenhofe, und jeder Tag fand ſeine freundliche Beſchäftigung. Am neunten wurden die Anſtalten gemacht, daß wir alle in das Roſenhaus abreiſen konnten. Mathilde und die Eltern fuhren in unſerem Reiſewagen. Natalie Klotilde und ich in dem Wagen Mathildens. Als wir den Hügel hinanfuhren, konnte mein Vater ſeine Neugierde kaum mehr bemeiſtern. Ich ſah ihn öfter in dem Wagen aufſtehen, und herumblicken. Es war ein wolkig heiterer Tag, Strichregen gingen

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/387>, abgerufen am 22.11.2024.