Hilfe ist die, daß du du bist. Meine Lage ist sehr einfach. Der Vater und die Mutter sind schon längst todt, der Gatte ist ebenfalls vor Langem gestorben, und Alfred -- du hast ihn ja recht geliebt --""
""Wie ich einen Sohn lieben würde,"" antwor¬ tete ich."
""Er ist auch todt"" sagte sie, ""er hat kein Weib kein Kind hinterlassen, das Haus in Heinbach und das in der Stadt hat er noch bei seinen Lebzeiten ver¬ kauft. Ich bin im Besize des Vermögens der Familie, und lebe mit meinen Kindern einsam. Lieber Gustav, ich habe dir den Knaben gebracht -- -- wie wußtest du denn, daß er mein Sohn sei?""
""Ich habe deine schwarzen Augen und deine brau¬ nen Locken an ihm gesehen,"" antwortete ich."
""Ich habe dir den Knaben gebracht,"" sagte sie, ""daß du sähest, daß er ist, wie dein Alfred -- fast sein Ebenbild -- aber er hat niemanden, der so lieb mit ihm umgeht, wie du mit Alfred umgegangen bist, der ihn so liebt, wie du Alfred geliebt hast, und den er wieder so lieben könnte, wie Alfred dich geliebt hat.""
""Wie heißt der Knabe?"" fragte ich."
""Gustav, wie du,"" antwortete sie."
"Ich konnte meine Thränen nicht zurückhalten."
Hilfe iſt die, daß du du biſt. Meine Lage iſt ſehr einfach. Der Vater und die Mutter ſind ſchon längſt todt, der Gatte iſt ebenfalls vor Langem geſtorben, und Alfred — du haſt ihn ja recht geliebt —““
„„Wie ich einen Sohn lieben würde,““ antwor¬ tete ich.“
„„Er iſt auch todt““ ſagte ſie, „„er hat kein Weib kein Kind hinterlaſſen, das Haus in Heinbach und das in der Stadt hat er noch bei ſeinen Lebzeiten ver¬ kauft. Ich bin im Beſize des Vermögens der Familie, und lebe mit meinen Kindern einſam. Lieber Guſtav, ich habe dir den Knaben gebracht — — wie wußteſt du denn, daß er mein Sohn ſei?““
„„Ich habe deine ſchwarzen Augen und deine brau¬ nen Locken an ihm geſehen,““ antwortete ich.“
„„Ich habe dir den Knaben gebracht,““ ſagte ſie, „„daß du ſäheſt, daß er iſt, wie dein Alfred — faſt ſein Ebenbild — aber er hat niemanden, der ſo lieb mit ihm umgeht, wie du mit Alfred umgegangen biſt, der ihn ſo liebt, wie du Alfred geliebt haſt, und den er wieder ſo lieben könnte, wie Alfred dich geliebt hat.““
„„Wie heißt der Knabe?““ fragte ich.“
„„Guſtav, wie du,““ antwortete ſie.“
„Ich konnte meine Thränen nicht zurückhalten.“
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0357"n="343"/>
Hilfe iſt die, daß du du biſt. Meine Lage iſt ſehr<lb/>
einfach. Der Vater und die Mutter ſind ſchon längſt<lb/>
todt, der Gatte iſt ebenfalls vor Langem geſtorben,<lb/>
und Alfred — du haſt ihn ja recht geliebt —““</p><lb/><p>„„Wie ich einen Sohn lieben würde,““ antwor¬<lb/>
tete ich.“</p><lb/><p>„„Er iſt auch todt““ſagte ſie, „„er hat kein Weib<lb/>
kein Kind hinterlaſſen, das Haus in Heinbach und<lb/>
das in der Stadt hat er noch bei ſeinen Lebzeiten ver¬<lb/>
kauft. Ich bin im Beſize des Vermögens der Familie,<lb/>
und lebe mit meinen Kindern einſam. Lieber Guſtav,<lb/>
ich habe dir den Knaben gebracht —— wie wußteſt<lb/>
du denn, daß er mein Sohn ſei?““</p><lb/><p>„„Ich habe deine ſchwarzen Augen und deine brau¬<lb/>
nen Locken an ihm geſehen,““ antwortete ich.“</p><lb/><p>„„Ich habe dir den Knaben gebracht,““ſagte ſie,<lb/>„„daß du ſäheſt, daß er iſt, wie dein Alfred — faſt<lb/>ſein Ebenbild — aber er hat niemanden, der ſo lieb<lb/>
mit ihm umgeht, wie du mit Alfred umgegangen biſt,<lb/>
der ihn ſo liebt, wie du Alfred geliebt haſt, und den er<lb/>
wieder ſo lieben könnte, wie Alfred dich geliebt hat.““</p><lb/><p>„„Wie heißt der Knabe?““ fragte ich.“</p><lb/><p>„„Guſtav, wie du,““ antwortete ſie.“</p><lb/><p>„Ich konnte meine Thränen nicht zurückhalten.“</p><lb/></div></body></text></TEI>
[343/0357]
Hilfe iſt die, daß du du biſt. Meine Lage iſt ſehr
einfach. Der Vater und die Mutter ſind ſchon längſt
todt, der Gatte iſt ebenfalls vor Langem geſtorben,
und Alfred — du haſt ihn ja recht geliebt —““
„„Wie ich einen Sohn lieben würde,““ antwor¬
tete ich.“
„„Er iſt auch todt““ ſagte ſie, „„er hat kein Weib
kein Kind hinterlaſſen, das Haus in Heinbach und
das in der Stadt hat er noch bei ſeinen Lebzeiten ver¬
kauft. Ich bin im Beſize des Vermögens der Familie,
und lebe mit meinen Kindern einſam. Lieber Guſtav,
ich habe dir den Knaben gebracht — — wie wußteſt
du denn, daß er mein Sohn ſei?““
„„Ich habe deine ſchwarzen Augen und deine brau¬
nen Locken an ihm geſehen,““ antwortete ich.“
„„Ich habe dir den Knaben gebracht,““ ſagte ſie,
„„daß du ſäheſt, daß er iſt, wie dein Alfred — faſt
ſein Ebenbild — aber er hat niemanden, der ſo lieb
mit ihm umgeht, wie du mit Alfred umgegangen biſt,
der ihn ſo liebt, wie du Alfred geliebt haſt, und den er
wieder ſo lieben könnte, wie Alfred dich geliebt hat.““
„„Wie heißt der Knabe?““ fragte ich.“
„„Guſtav, wie du,““ antwortete ſie.“
„Ich konnte meine Thränen nicht zurückhalten.“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/357>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.