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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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daß sie über die Felderanhöhe hinaus und wieder
in das Schloß zurückkommen könne.

"Wohl ist noch so viel Zeit," erwiederte sie, "ich
wäre ja sonst nicht fortgegangen, weil ich eine Stö¬
rung in der Hausordnung nicht verursachen möchte."

"Dann erlaubt ihr wohl, daß ich euch begleite,"
sagte ich.

"Es wird mir sehr lieb sein," antwortete sie.

Ich begab mich an ihre Seite, und wir wandelten
den Weg, den ich gekommen war, zurück.

Ich hätte ihr sehr gerne meinen Arm angebothen;
aber ich hatte nicht den Muth dazu.

Wir gingen langsam auf dem feinen Sandwege
dahin, an einem Baumstamme nach dem andern vor¬
über, und die Schatten, welche die Bäume auf den
Weg warfen, und die Lichter, welche die Sonne da¬
zwischen legte, wichen hinter uns zurück. Anfangs
sprachen wir gar nicht, dann aber sagte Natalie:
"Und habt ihr die Nacht in Ruhe und Wohlsein zu¬
gebracht?"

"Ich habe sehr wenig Schlaf gefunden; aber ich
habe es nicht unangenehm empfunden," entgegnete
ich, die Fenster meiner Wohnung, welche mir eure
Mutter so freundlich hatte einrichten lassen, gehen in

Stifter. Nachsommer. III. 2

daß ſie über die Felderanhöhe hinaus und wieder
in das Schloß zurückkommen könne.

„Wohl iſt noch ſo viel Zeit,“ erwiederte ſie, „ich
wäre ja ſonſt nicht fortgegangen, weil ich eine Stö¬
rung in der Hausordnung nicht verurſachen möchte.“

„Dann erlaubt ihr wohl, daß ich euch begleite,“
ſagte ich.

„Es wird mir ſehr lieb ſein,“ antwortete ſie.

Ich begab mich an ihre Seite, und wir wandelten
den Weg, den ich gekommen war, zurück.

Ich hätte ihr ſehr gerne meinen Arm angebothen;
aber ich hatte nicht den Muth dazu.

Wir gingen langſam auf dem feinen Sandwege
dahin, an einem Baumſtamme nach dem andern vor¬
über, und die Schatten, welche die Bäume auf den
Weg warfen, und die Lichter, welche die Sonne da¬
zwiſchen legte, wichen hinter uns zurück. Anfangs
ſprachen wir gar nicht, dann aber ſagte Natalie:
„Und habt ihr die Nacht in Ruhe und Wohlſein zu¬
gebracht?“

„Ich habe ſehr wenig Schlaf gefunden; aber ich
habe es nicht unangenehm empfunden,“ entgegnete
ich, die Fenſter meiner Wohnung, welche mir eure
Mutter ſo freundlich hatte einrichten laſſen, gehen in

Stifter. Nachſommer. III. 2
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[17/0031] daß ſie über die Felderanhöhe hinaus und wieder in das Schloß zurückkommen könne. „Wohl iſt noch ſo viel Zeit,“ erwiederte ſie, „ich wäre ja ſonſt nicht fortgegangen, weil ich eine Stö¬ rung in der Hausordnung nicht verurſachen möchte.“ „Dann erlaubt ihr wohl, daß ich euch begleite,“ ſagte ich. „Es wird mir ſehr lieb ſein,“ antwortete ſie. Ich begab mich an ihre Seite, und wir wandelten den Weg, den ich gekommen war, zurück. Ich hätte ihr ſehr gerne meinen Arm angebothen; aber ich hatte nicht den Muth dazu. Wir gingen langſam auf dem feinen Sandwege dahin, an einem Baumſtamme nach dem andern vor¬ über, und die Schatten, welche die Bäume auf den Weg warfen, und die Lichter, welche die Sonne da¬ zwiſchen legte, wichen hinter uns zurück. Anfangs ſprachen wir gar nicht, dann aber ſagte Natalie: „Und habt ihr die Nacht in Ruhe und Wohlſein zu¬ gebracht?“ „Ich habe ſehr wenig Schlaf gefunden; aber ich habe es nicht unangenehm empfunden,“ entgegnete ich, die Fenſter meiner Wohnung, welche mir eure Mutter ſo freundlich hatte einrichten laſſen, gehen in Stifter. Nachſommer. III. 2

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/31>, abgerufen am 21.11.2024.