Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

Alfred achtete wenig darauf. Es wurden mehr Lehrer
in mehr Fächern genommen, und die Lehrstunden wa¬
ren gedrängter als auf dem Lande. Auch kamen wir
mit viel mehr Menschen in Berührung und die Ein¬
wirkungen vervielfältigten sich. Aber auch hier wurde
ich nicht minder gut behandelt als auf dem Lande. Ich
wurde nach und nach zur Familie gerechnet, und alles,
was überhaupt der Familie gemeinschaftlich zukam,
wurde auch mir zugetheilt. Die Mutter Alfreds sorgte
für meine häuslichen Angelegenheiten, und nur die
Anschaffung von Kleidern Büchern und dergleichen
war meine Sache."

"Als kaum die ersten Frühlingslüfte kamen, gin¬
gen wir wieder nach Heinbach. Mathilde Alfred und
ich sassen in einem Wagen, der Vater und die Mutter
in einem anderen. Alfred wollte nicht von mir ge¬
trennt sein, er wollte neben mir sizen. Man mußte
es daher so einrichten, daß Mathilde uns gegenüber
saß. Sie war, als ich das Haus betreten hatte, noch
nicht völlig vierzehn Jahre alt. Jezt ging sie gegen
fünfzehn. Sie war in dem vergangenen Jahre bedeu¬
tend gewachsen, so daß sie wohl so groß war, wie ein
vollendetes Mädchen. Ihr Körper war äußerst schlank,
aber sehr gefällig gebildet. Man kleidete sie gerne in

Alfred achtete wenig darauf. Es wurden mehr Lehrer
in mehr Fächern genommen, und die Lehrſtunden wa¬
ren gedrängter als auf dem Lande. Auch kamen wir
mit viel mehr Menſchen in Berührung und die Ein¬
wirkungen vervielfältigten ſich. Aber auch hier wurde
ich nicht minder gut behandelt als auf dem Lande. Ich
wurde nach und nach zur Familie gerechnet, und alles,
was überhaupt der Familie gemeinſchaftlich zukam,
wurde auch mir zugetheilt. Die Mutter Alfreds ſorgte
für meine häuslichen Angelegenheiten, und nur die
Anſchaffung von Kleidern Büchern und dergleichen
war meine Sache.“

„Als kaum die erſten Frühlingslüfte kamen, gin¬
gen wir wieder nach Heinbach. Mathilde Alfred und
ich ſaſſen in einem Wagen, der Vater und die Mutter
in einem anderen. Alfred wollte nicht von mir ge¬
trennt ſein, er wollte neben mir ſizen. Man mußte
es daher ſo einrichten, daß Mathilde uns gegenüber
ſaß. Sie war, als ich das Haus betreten hatte, noch
nicht völlig vierzehn Jahre alt. Jezt ging ſie gegen
fünfzehn. Sie war in dem vergangenen Jahre bedeu¬
tend gewachſen, ſo daß ſie wohl ſo groß war, wie ein
vollendetes Mädchen. Ihr Körper war äußerſt ſchlank,
aber ſehr gefällig gebildet. Man kleidete ſie gerne in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0291" n="277"/>
Alfred achtete wenig darauf. Es wurden mehr Lehrer<lb/>
in mehr Fächern genommen, und die Lehr&#x017F;tunden wa¬<lb/>
ren gedrängter als auf dem Lande. Auch kamen wir<lb/>
mit viel mehr Men&#x017F;chen in Berührung und die Ein¬<lb/>
wirkungen vervielfältigten &#x017F;ich. Aber auch hier wurde<lb/>
ich nicht minder gut behandelt als auf dem Lande. Ich<lb/>
wurde nach und nach zur Familie gerechnet, und alles,<lb/>
was überhaupt der Familie gemein&#x017F;chaftlich zukam,<lb/>
wurde auch mir zugetheilt. Die Mutter Alfreds &#x017F;orgte<lb/>
für meine häuslichen Angelegenheiten, und nur die<lb/>
An&#x017F;chaffung von Kleidern Büchern und dergleichen<lb/>
war meine Sache.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Als kaum die er&#x017F;ten Frühlingslüfte kamen, gin¬<lb/>
gen wir wieder nach Heinbach. Mathilde Alfred und<lb/>
ich &#x017F;a&#x017F;&#x017F;en in einem Wagen, der Vater und die Mutter<lb/>
in einem anderen. Alfred wollte nicht von mir ge¬<lb/>
trennt &#x017F;ein, er wollte neben mir &#x017F;izen. Man mußte<lb/>
es daher &#x017F;o einrichten, daß Mathilde uns gegenüber<lb/>
&#x017F;aß. Sie war, als ich das Haus betreten hatte, noch<lb/>
nicht völlig vierzehn Jahre alt. Jezt ging &#x017F;ie gegen<lb/>
fünfzehn. Sie war in dem vergangenen Jahre bedeu¬<lb/>
tend gewach&#x017F;en, &#x017F;o daß &#x017F;ie wohl &#x017F;o groß war, wie ein<lb/>
vollendetes Mädchen. Ihr Körper war äußer&#x017F;t &#x017F;chlank,<lb/>
aber &#x017F;ehr gefällig gebildet. Man kleidete &#x017F;ie gerne in<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[277/0291] Alfred achtete wenig darauf. Es wurden mehr Lehrer in mehr Fächern genommen, und die Lehrſtunden wa¬ ren gedrängter als auf dem Lande. Auch kamen wir mit viel mehr Menſchen in Berührung und die Ein¬ wirkungen vervielfältigten ſich. Aber auch hier wurde ich nicht minder gut behandelt als auf dem Lande. Ich wurde nach und nach zur Familie gerechnet, und alles, was überhaupt der Familie gemeinſchaftlich zukam, wurde auch mir zugetheilt. Die Mutter Alfreds ſorgte für meine häuslichen Angelegenheiten, und nur die Anſchaffung von Kleidern Büchern und dergleichen war meine Sache.“ „Als kaum die erſten Frühlingslüfte kamen, gin¬ gen wir wieder nach Heinbach. Mathilde Alfred und ich ſaſſen in einem Wagen, der Vater und die Mutter in einem anderen. Alfred wollte nicht von mir ge¬ trennt ſein, er wollte neben mir ſizen. Man mußte es daher ſo einrichten, daß Mathilde uns gegenüber ſaß. Sie war, als ich das Haus betreten hatte, noch nicht völlig vierzehn Jahre alt. Jezt ging ſie gegen fünfzehn. Sie war in dem vergangenen Jahre bedeu¬ tend gewachſen, ſo daß ſie wohl ſo groß war, wie ein vollendetes Mädchen. Ihr Körper war äußerſt ſchlank, aber ſehr gefällig gebildet. Man kleidete ſie gerne in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/291
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/291>, abgerufen am 24.11.2024.