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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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wünschte, und den Schwager bath, seine Gattin sehr
zu lieben zu schonen und zu ehren; denn ich glaube,
daß sie es verdiene. Die Antworten versprachen alles,
so wie die folgenden Briefe immer den Stempel eines
stillen häuslichen Friedens trugen."

"In diesen Verhältnissen kam die Zeit heran, da
ich mit den lezten Prüfungen meine Vorbereitungs¬
jahre beendigt hatte. Ich richtete eben mein Reise¬
gepäcke zusammen, um der Verabredung gemäß nach
langer Trennung die Meinigen wieder zu sehen, als
ein Brief von der Hand der Schwester kam, dessen
Inneres häufige Thränenspuren zeigte, und der mir
sagte, daß unsere Mutter gestorben sei. Sie war vor
einiger Zeit krank geworden, man hielt das Übel nicht
für gefährlich, und da man mich in der Vorbereitung
zu meinen lezten Prüfungen wußte, so wollte man
mir, um mich nicht zu stören, keine Meldung von der
Krankheit zukommen lassen. So zog es sich durch zehn
Tage hin, von wo es sich rasch verschlimmerte, und
ehe man es sich versah, mit dem Tode endigte. Man
konnte mir nur mehr diesen melden. Ich raffte sofort
alles zusammen, was zu einer Reise nöthig schien,
schrieb zwei Zeilen an einen Freund, worin ich ihn
bath, die Sache meinen Bekannten, die ich ihm bezeich¬

wünſchte, und den Schwager bath, ſeine Gattin ſehr
zu lieben zu ſchonen und zu ehren; denn ich glaube,
daß ſie es verdiene. Die Antworten verſprachen alles,
ſo wie die folgenden Briefe immer den Stempel eines
ſtillen häuslichen Friedens trugen.“

„In dieſen Verhältniſſen kam die Zeit heran, da
ich mit den lezten Prüfungen meine Vorbereitungs¬
jahre beendigt hatte. Ich richtete eben mein Reiſe¬
gepäcke zuſammen, um der Verabredung gemäß nach
langer Trennung die Meinigen wieder zu ſehen, als
ein Brief von der Hand der Schweſter kam, deſſen
Inneres häufige Thränenſpuren zeigte, und der mir
ſagte, daß unſere Mutter geſtorben ſei. Sie war vor
einiger Zeit krank geworden, man hielt das Übel nicht
für gefährlich, und da man mich in der Vorbereitung
zu meinen lezten Prüfungen wußte, ſo wollte man
mir, um mich nicht zu ſtören, keine Meldung von der
Krankheit zukommen laſſen. So zog es ſich durch zehn
Tage hin, von wo es ſich raſch verſchlimmerte, und
ehe man es ſich verſah, mit dem Tode endigte. Man
konnte mir nur mehr dieſen melden. Ich raffte ſofort
alles zuſammen, was zu einer Reiſe nöthig ſchien,
ſchrieb zwei Zeilen an einen Freund, worin ich ihn
bath, die Sache meinen Bekannten, die ich ihm bezeich¬

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[245/0259] wünſchte, und den Schwager bath, ſeine Gattin ſehr zu lieben zu ſchonen und zu ehren; denn ich glaube, daß ſie es verdiene. Die Antworten verſprachen alles, ſo wie die folgenden Briefe immer den Stempel eines ſtillen häuslichen Friedens trugen.“ „In dieſen Verhältniſſen kam die Zeit heran, da ich mit den lezten Prüfungen meine Vorbereitungs¬ jahre beendigt hatte. Ich richtete eben mein Reiſe¬ gepäcke zuſammen, um der Verabredung gemäß nach langer Trennung die Meinigen wieder zu ſehen, als ein Brief von der Hand der Schweſter kam, deſſen Inneres häufige Thränenſpuren zeigte, und der mir ſagte, daß unſere Mutter geſtorben ſei. Sie war vor einiger Zeit krank geworden, man hielt das Übel nicht für gefährlich, und da man mich in der Vorbereitung zu meinen lezten Prüfungen wußte, ſo wollte man mir, um mich nicht zu ſtören, keine Meldung von der Krankheit zukommen laſſen. So zog es ſich durch zehn Tage hin, von wo es ſich raſch verſchlimmerte, und ehe man es ſich verſah, mit dem Tode endigte. Man konnte mir nur mehr dieſen melden. Ich raffte ſofort alles zuſammen, was zu einer Reiſe nöthig ſchien, ſchrieb zwei Zeilen an einen Freund, worin ich ihn bath, die Sache meinen Bekannten, die ich ihm bezeich¬

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/259>, abgerufen am 24.11.2024.