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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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kein Hinderniß, daß ihr mir irgend etwas vorent¬
halten solltet."

"Meine Zeit," antwortete er, "ist entweder so
gemessen, daß ich nichts anderes thun sollte, als auf
mein Ende sehen, oder daß ich über sie verfügen kann,
wie ich will; denn was sollte ein so alter Mann noch
Ausschließliches zu thun haben? Er mag für die paar
Stunden, die ihm übrig sind, noch Blumen zurecht
legen, wie er will. Ich thue ja eigentlich hier auf
dieser Besizung nichts anders. Auch dürfte das, was
ich euch sagen will, für euch nicht ganz unwichtig sein,
wie sich wohl in der Folge zeigen wird. Ich fahre
daher fort, wie sich eben unter den Worten die Er¬
zählung gibt."

"Die Nacht verbrachte ich in gutem Schlummer,
und der erste Morgen sah mich auf einem jener rohen
kleinen Schiffe, wie sie damals mit verschiedenen
Gütern beladen unsern Strom abwärts befuhren,
und auch Menschen mit sich nahmen. Mehrere junge
Leute, die entweder ganz gleichen oder ähnlichen Be¬
ruf mit mir verfolgten, standen auf dem Verdecke,
und legten sogar manches Mal Hand an die Ruder,
da unser Schif auf dem breiten rauchenden Strome
sich abwärts bewegte, und die kleine Stadt, die uns

kein Hinderniß, daß ihr mir irgend etwas vorent¬
halten ſolltet.“

„Meine Zeit,“ antwortete er, „iſt entweder ſo
gemeſſen, daß ich nichts anderes thun ſollte, als auf
mein Ende ſehen, oder daß ich über ſie verfügen kann,
wie ich will; denn was ſollte ein ſo alter Mann noch
Ausſchließliches zu thun haben? Er mag für die paar
Stunden, die ihm übrig ſind, noch Blumen zurecht
legen, wie er will. Ich thue ja eigentlich hier auf
dieſer Beſizung nichts anders. Auch dürfte das, was
ich euch ſagen will, für euch nicht ganz unwichtig ſein,
wie ſich wohl in der Folge zeigen wird. Ich fahre
daher fort, wie ſich eben unter den Worten die Er¬
zählung gibt.“

„Die Nacht verbrachte ich in gutem Schlummer,
und der erſte Morgen ſah mich auf einem jener rohen
kleinen Schiffe, wie ſie damals mit verſchiedenen
Gütern beladen unſern Strom abwärts befuhren,
und auch Menſchen mit ſich nahmen. Mehrere junge
Leute, die entweder ganz gleichen oder ähnlichen Be¬
ruf mit mir verfolgten, ſtanden auf dem Verdecke,
und legten ſogar manches Mal Hand an die Ruder,
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[236/0250] kein Hinderniß, daß ihr mir irgend etwas vorent¬ halten ſolltet.“ „Meine Zeit,“ antwortete er, „iſt entweder ſo gemeſſen, daß ich nichts anderes thun ſollte, als auf mein Ende ſehen, oder daß ich über ſie verfügen kann, wie ich will; denn was ſollte ein ſo alter Mann noch Ausſchließliches zu thun haben? Er mag für die paar Stunden, die ihm übrig ſind, noch Blumen zurecht legen, wie er will. Ich thue ja eigentlich hier auf dieſer Beſizung nichts anders. Auch dürfte das, was ich euch ſagen will, für euch nicht ganz unwichtig ſein, wie ſich wohl in der Folge zeigen wird. Ich fahre daher fort, wie ſich eben unter den Worten die Er¬ zählung gibt.“ „Die Nacht verbrachte ich in gutem Schlummer, und der erſte Morgen ſah mich auf einem jener rohen kleinen Schiffe, wie ſie damals mit verſchiedenen Gütern beladen unſern Strom abwärts befuhren, und auch Menſchen mit ſich nahmen. Mehrere junge Leute, die entweder ganz gleichen oder ähnlichen Be¬ ruf mit mir verfolgten, ſtanden auf dem Verdecke, und legten ſogar manches Mal Hand an die Ruder, da unſer Schif auf dem breiten rauchenden Strome ſich abwärts bewegte, und die kleine Stadt, die uns

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/250>, abgerufen am 24.11.2024.