punkte allein betrachtet thun könnte. Die Eignung zum Staatsdienste von Seite des Gemüthes abgese¬ hen von den andern Fähigkeiten besteht nun auch in wesentlichen Theilen dann, daß man entweder das Einzelne mit Eifer zu thun im Stande ist, ohne dessen Zusammenhang mit dem großen Ganzen zu kennen, oder daß man Scharfsinn genug hat, den Zusammen¬ hang des Einzelnen mit dem Ganzen zum Wohle und Zwecke des Allgemeinen einzusehen, und daß man dann dieses Einzelne mit Lust und Begeisterung voll¬ führt. Das leztere thut der eigentliche Staatsmann, das erste der sogenannte gute Staatsdiener. Ich war keins von beiden. Ich hatte von Kindheit an, freilich ohne es damals oder in den Jugendjahren zu wissen, zwei Eigenschaften, die dem Gesagten geradezu entge¬ gen standen. Ich war erstens gerne der Herr meiner Handlungen. Ich entwarf gerne das Bild dessen, was ich thun sollte, selbst, und vollführte es auch gerne mit meiner alleinigen Kraft. Daraus folgte, daß ich schon als Kind, wie meine Mutter erzählte, eine Speise ein Spielzeug und dergleichen lieber nahm, als mir geben ließ, daß ich gegen Hilfe widerspänstig war, daß man mich als Knaben und Jüngling un¬ gehorsam und eigensinnig nannte, und daß man in
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punkte allein betrachtet thun könnte. Die Eignung zum Staatsdienſte von Seite des Gemüthes abgeſe¬ hen von den andern Fähigkeiten beſteht nun auch in weſentlichen Theilen dann, daß man entweder das Einzelne mit Eifer zu thun im Stande iſt, ohne deſſen Zuſammenhang mit dem großen Ganzen zu kennen, oder daß man Scharfſinn genug hat, den Zuſammen¬ hang des Einzelnen mit dem Ganzen zum Wohle und Zwecke des Allgemeinen einzuſehen, und daß man dann dieſes Einzelne mit Luſt und Begeiſterung voll¬ führt. Das leztere thut der eigentliche Staatsmann, das erſte der ſogenannte gute Staatsdiener. Ich war keins von beiden. Ich hatte von Kindheit an, freilich ohne es damals oder in den Jugendjahren zu wiſſen, zwei Eigenſchaften, die dem Geſagten geradezu entge¬ gen ſtanden. Ich war erſtens gerne der Herr meiner Handlungen. Ich entwarf gerne das Bild deſſen, was ich thun ſollte, ſelbſt, und vollführte es auch gerne mit meiner alleinigen Kraft. Daraus folgte, daß ich ſchon als Kind, wie meine Mutter erzählte, eine Speiſe ein Spielzeug und dergleichen lieber nahm, als mir geben ließ, daß ich gegen Hilfe widerſpänſtig war, daß man mich als Knaben und Jüngling un¬ gehorſam und eigenſinnig nannte, und daß man in
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punkte allein betrachtet thun könnte. Die Eignung
zum Staatsdienſte von Seite des Gemüthes abgeſe¬
hen von den andern Fähigkeiten beſteht nun auch in
weſentlichen Theilen dann, daß man entweder das
Einzelne mit Eifer zu thun im Stande iſt, ohne deſſen
Zuſammenhang mit dem großen Ganzen zu kennen,
oder daß man Scharfſinn genug hat, den Zuſammen¬
hang des Einzelnen mit dem Ganzen zum Wohle und
Zwecke des Allgemeinen einzuſehen, und daß man
dann dieſes Einzelne mit Luſt und Begeiſterung voll¬
führt. Das leztere thut der eigentliche Staatsmann,
das erſte der ſogenannte gute Staatsdiener. Ich war
keins von beiden. Ich hatte von Kindheit an, freilich
ohne es damals oder in den Jugendjahren zu wiſſen,
zwei Eigenſchaften, die dem Geſagten geradezu entge¬
gen ſtanden. Ich war erſtens gerne der Herr meiner
Handlungen. Ich entwarf gerne das Bild deſſen, was
ich thun ſollte, ſelbſt, und vollführte es auch gerne
mit meiner alleinigen Kraft. Daraus folgte, daß ich
ſchon als Kind, wie meine Mutter erzählte, eine
Speiſe ein Spielzeug und dergleichen lieber nahm,
als mir geben ließ, daß ich gegen Hilfe widerſpänſtig
war, daß man mich als Knaben und Jüngling un¬
gehorſam und eigenſinnig nannte, und daß man in
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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/225>, abgerufen am 24.11.2024.
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