Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

sich befindet, oder das als Eigenthum eines einzelnen
Mannes nicht einmal allen denen, die denselben Ort
mit ihm bewohnen, zugänglich ist, vervielfältiget, und
zur Anschauung in viele Orte und in ferne Zeiten
bringen kann, so sollte man ihm wohl die größte Auf¬
merksamkeit schenken. Wenn er nicht einer gewissen
zu bestimmten Zeiten in Schwung kommenden Art
huldigt, sondern strebt, die Seele des Meisters, wie
sie sich in dem Bilde darstellt, wieder zu geben, wenn
er nicht blos die Stoffe, wie sie sich in dem Bilde
befinden, von der Zartheit des menschlichen Ange¬
sichtes und der menschlichen Hände angefangen durch
den Glanz der Seide und die Glätte des Metalles
bis zu der Rauhigkeit der Felsen und Teppiche herab
sondern auch sogar die Farben, die der Maler ange¬
wendet hat, durch verschiedene aber immer klare leicht
geführte und schöngeschwungene Linien, die niemals
unbedeutend niemals durch Absonderlichkeit auffallend
sein niemals einen bloßen Fleck bilden dürfen, und
die er zur Bemeisterung jedes neuen Gegenstandes neu
erfinden kann, darstellt: dann kann er zwar nicht der
Malerei in ihren Wirkungen an die Seite gesezt wer¬
den, die sie auf ihre Beschauer geradehin ausübt,
aber er kann ihr an Kunstwirkung überhaupt als eben¬

ſich befindet, oder das als Eigenthum eines einzelnen
Mannes nicht einmal allen denen, die denſelben Ort
mit ihm bewohnen, zugänglich iſt, vervielfältiget, und
zur Anſchauung in viele Orte und in ferne Zeiten
bringen kann, ſo ſollte man ihm wohl die größte Auf¬
merkſamkeit ſchenken. Wenn er nicht einer gewiſſen
zu beſtimmten Zeiten in Schwung kommenden Art
huldigt, ſondern ſtrebt, die Seele des Meiſters, wie
ſie ſich in dem Bilde darſtellt, wieder zu geben, wenn
er nicht blos die Stoffe, wie ſie ſich in dem Bilde
befinden, von der Zartheit des menſchlichen Ange¬
ſichtes und der menſchlichen Hände angefangen durch
den Glanz der Seide und die Glätte des Metalles
bis zu der Rauhigkeit der Felſen und Teppiche herab
ſondern auch ſogar die Farben, die der Maler ange¬
wendet hat, durch verſchiedene aber immer klare leicht
geführte und ſchöngeſchwungene Linien, die niemals
unbedeutend niemals durch Abſonderlichkeit auffallend
ſein niemals einen bloßen Fleck bilden dürfen, und
die er zur Bemeiſterung jedes neuen Gegenſtandes neu
erfinden kann, darſtellt: dann kann er zwar nicht der
Malerei in ihren Wirkungen an die Seite geſezt wer¬
den, die ſie auf ihre Beſchauer geradehin ausübt,
aber er kann ihr an Kunſtwirkung überhaupt als eben¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0213" n="199"/>
&#x017F;ich befindet, oder das als Eigenthum eines einzelnen<lb/>
Mannes nicht einmal allen denen, die den&#x017F;elben Ort<lb/>
mit ihm bewohnen, zugänglich i&#x017F;t, vervielfältiget, und<lb/>
zur An&#x017F;chauung in viele Orte und in ferne Zeiten<lb/>
bringen kann, &#x017F;o &#x017F;ollte man ihm wohl die größte Auf¬<lb/>
merk&#x017F;amkeit &#x017F;chenken. Wenn er nicht einer gewi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
zu be&#x017F;timmten Zeiten in Schwung kommenden Art<lb/>
huldigt, &#x017F;ondern &#x017F;trebt, die Seele des Mei&#x017F;ters, wie<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich in dem Bilde dar&#x017F;tellt, wieder zu geben, wenn<lb/>
er nicht blos die Stoffe, wie &#x017F;ie &#x017F;ich in dem Bilde<lb/>
befinden, von der Zartheit des men&#x017F;chlichen Ange¬<lb/>
&#x017F;ichtes und der men&#x017F;chlichen Hände angefangen durch<lb/>
den Glanz der Seide und die Glätte des Metalles<lb/>
bis zu der Rauhigkeit der Fel&#x017F;en und Teppiche herab<lb/>
&#x017F;ondern auch &#x017F;ogar die Farben, die der Maler ange¬<lb/>
wendet hat, durch ver&#x017F;chiedene aber immer klare leicht<lb/>
geführte und &#x017F;chönge&#x017F;chwungene Linien, die niemals<lb/>
unbedeutend niemals durch Ab&#x017F;onderlichkeit auffallend<lb/>
&#x017F;ein niemals einen bloßen Fleck bilden dürfen, und<lb/>
die er zur Bemei&#x017F;terung jedes neuen Gegen&#x017F;tandes neu<lb/>
erfinden kann, dar&#x017F;tellt: dann kann er zwar nicht der<lb/>
Malerei in ihren Wirkungen an die Seite ge&#x017F;ezt wer¬<lb/>
den, die &#x017F;ie auf ihre Be&#x017F;chauer geradehin ausübt,<lb/>
aber er kann ihr an Kun&#x017F;twirkung überhaupt als eben¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[199/0213] ſich befindet, oder das als Eigenthum eines einzelnen Mannes nicht einmal allen denen, die denſelben Ort mit ihm bewohnen, zugänglich iſt, vervielfältiget, und zur Anſchauung in viele Orte und in ferne Zeiten bringen kann, ſo ſollte man ihm wohl die größte Auf¬ merkſamkeit ſchenken. Wenn er nicht einer gewiſſen zu beſtimmten Zeiten in Schwung kommenden Art huldigt, ſondern ſtrebt, die Seele des Meiſters, wie ſie ſich in dem Bilde darſtellt, wieder zu geben, wenn er nicht blos die Stoffe, wie ſie ſich in dem Bilde befinden, von der Zartheit des menſchlichen Ange¬ ſichtes und der menſchlichen Hände angefangen durch den Glanz der Seide und die Glätte des Metalles bis zu der Rauhigkeit der Felſen und Teppiche herab ſondern auch ſogar die Farben, die der Maler ange¬ wendet hat, durch verſchiedene aber immer klare leicht geführte und ſchöngeſchwungene Linien, die niemals unbedeutend niemals durch Abſonderlichkeit auffallend ſein niemals einen bloßen Fleck bilden dürfen, und die er zur Bemeiſterung jedes neuen Gegenſtandes neu erfinden kann, darſtellt: dann kann er zwar nicht der Malerei in ihren Wirkungen an die Seite geſezt wer¬ den, die ſie auf ihre Beſchauer geradehin ausübt, aber er kann ihr an Kunſtwirkung überhaupt als eben¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/213
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/213>, abgerufen am 22.11.2024.