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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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Stadt war, sammelte die Fürstin einen kleinen Kreis
um sich, in welchem entweder etwas vorgelesen wurde,
oder in welchem man über wissenschaftliche oder gesel¬
lige oder Staatsdinge oder Dinge der Kunst sprach.
Die Kreise waren regelmäßig an gleichen Tagen der
Woche, sie waren in der Stadt bekannt, wurden sehr
hoch geachtet oder verspottet, wie eben der Beurthei¬
lende war, wurden gesucht, und bestanden zuweilen
aus sehr bedeutenden Personen. In diese Kreise
hatte ich Zutritt erlangt. Die Fürstin hatte mich
einige Male getroffen, es war einmal von meiner
Wissenschaft die Rede gewesen, sie war sehr neugierig,
was man denn von der Geschichte der Erdbildung wisse,
und aus welchen Umständen man seine Schlüsse ziehe,
und sie hatte mich in ihre Nähe gezogen. Ich hörte auf¬
merksam zu, wenn ich an den bestimmten Abenden in
ihrem Gesellschaftszimmer war, sprach selber wenig,
und meistens nur, wenn ich dazu aufgefordert wurde.
Die Fürstin saß in schwarzem oder aschgrauem Sei¬
denkleide -- lichtere trug sie nie -- in ihrem Polster¬
stuhle, und hatte einen Schemel unter ihren Füßen.
Die Lampe trug gegen ihre Seite hin einen grünen
Schirm, und goß ihr Licht in die Gegend der Vor¬
leserin oder des Vorlesers, wenn eben gelesen wurde.

Stadt war, ſammelte die Fürſtin einen kleinen Kreis
um ſich, in welchem entweder etwas vorgeleſen wurde,
oder in welchem man über wiſſenſchaftliche oder geſel¬
lige oder Staatsdinge oder Dinge der Kunſt ſprach.
Die Kreiſe waren regelmäßig an gleichen Tagen der
Woche, ſie waren in der Stadt bekannt, wurden ſehr
hoch geachtet oder verſpottet, wie eben der Beurthei¬
lende war, wurden geſucht, und beſtanden zuweilen
aus ſehr bedeutenden Perſonen. In dieſe Kreiſe
hatte ich Zutritt erlangt. Die Fürſtin hatte mich
einige Male getroffen, es war einmal von meiner
Wiſſenſchaft die Rede geweſen, ſie war ſehr neugierig,
was man denn von der Geſchichte der Erdbildung wiſſe,
und aus welchen Umſtänden man ſeine Schlüſſe ziehe,
und ſie hatte mich in ihre Nähe gezogen. Ich hörte auf¬
merkſam zu, wenn ich an den beſtimmten Abenden in
ihrem Geſellſchaftszimmer war, ſprach ſelber wenig,
und meiſtens nur, wenn ich dazu aufgefordert wurde.
Die Fürſtin ſaß in ſchwarzem oder aſchgrauem Sei¬
denkleide — lichtere trug ſie nie — in ihrem Polſter¬
ſtuhle, und hatte einen Schemel unter ihren Füßen.
Die Lampe trug gegen ihre Seite hin einen grünen
Schirm, und goß ihr Licht in die Gegend der Vor¬
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[79/0093] Stadt war, ſammelte die Fürſtin einen kleinen Kreis um ſich, in welchem entweder etwas vorgeleſen wurde, oder in welchem man über wiſſenſchaftliche oder geſel¬ lige oder Staatsdinge oder Dinge der Kunſt ſprach. Die Kreiſe waren regelmäßig an gleichen Tagen der Woche, ſie waren in der Stadt bekannt, wurden ſehr hoch geachtet oder verſpottet, wie eben der Beurthei¬ lende war, wurden geſucht, und beſtanden zuweilen aus ſehr bedeutenden Perſonen. In dieſe Kreiſe hatte ich Zutritt erlangt. Die Fürſtin hatte mich einige Male getroffen, es war einmal von meiner Wiſſenſchaft die Rede geweſen, ſie war ſehr neugierig, was man denn von der Geſchichte der Erdbildung wiſſe, und aus welchen Umſtänden man ſeine Schlüſſe ziehe, und ſie hatte mich in ihre Nähe gezogen. Ich hörte auf¬ merkſam zu, wenn ich an den beſtimmten Abenden in ihrem Geſellſchaftszimmer war, ſprach ſelber wenig, und meiſtens nur, wenn ich dazu aufgefordert wurde. Die Fürſtin ſaß in ſchwarzem oder aſchgrauem Sei¬ denkleide — lichtere trug ſie nie — in ihrem Polſter¬ ſtuhle, und hatte einen Schemel unter ihren Füßen. Die Lampe trug gegen ihre Seite hin einen grünen Schirm, und goß ihr Licht in die Gegend der Vor¬ leſerin oder des Vorleſers, wenn eben geleſen wurde.

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/93>, abgerufen am 25.11.2024.