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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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bloßer Stoff nicht so hoch im Preise steht, wie die
gesuchten Steine, die nur in kleinen Stücken vorkom¬
men, so ist er doch so auserlesen und so wunderbar,
daß er nicht bloß in der weißen sondern auch in jeder
andern Farbe begehrt wird, daß man die verschieden¬
sten Dinge aus ihm macht, und daß das Höchste,
was menschliche bildende Kunst darzustellen vermag,
in der Reinheit des weißen Marmors ausgeführt
wird."

"Das ist es, was mich auch immer sehr ergriff,
wenn ich hier saß, und betrachtete," sagte sie, "daß in
dem harten Steine das Weiche und Runde der Ge¬
staltung ausgedrückt ist, und daß man zu der Dar¬
stellung des Schönsten in der Welt den Stoff nimmt,
der keine Makel hat. Dies sehe ich sogar immer an
der Gestalt auf der Treppe unsers Freundes, welche
noch schöner und ehrfurchterweckender als dieses Bild¬
werk hier ist, wenn gleich ihr Stoff in der Länge der
vielen Jahre, die er gedauert hat, verunreinigt wor¬
den war."

"Es ist gewiß nicht ohne Bedeutung," entgegnete
ich, "daß die Menschen in den edelsten und selbst hie
und da ältesten Völkern zu diesem Stoffe griffen, wenn
sie hohes Göttliches oder Menschliches bilden wollten,

bloßer Stoff nicht ſo hoch im Preiſe ſteht, wie die
geſuchten Steine, die nur in kleinen Stücken vorkom¬
men, ſo iſt er doch ſo auserleſen und ſo wunderbar,
daß er nicht bloß in der weißen ſondern auch in jeder
andern Farbe begehrt wird, daß man die verſchieden¬
ſten Dinge aus ihm macht, und daß das Höchſte,
was menſchliche bildende Kunſt darzuſtellen vermag,
in der Reinheit des weißen Marmors ausgeführt
wird.“

„Das iſt es, was mich auch immer ſehr ergriff,
wenn ich hier ſaß, und betrachtete,“ ſagte ſie, „daß in
dem harten Steine das Weiche und Runde der Ge¬
ſtaltung ausgedrückt iſt, und daß man zu der Dar¬
ſtellung des Schönſten in der Welt den Stoff nimmt,
der keine Makel hat. Dies ſehe ich ſogar immer an
der Geſtalt auf der Treppe unſers Freundes, welche
noch ſchöner und ehrfurchterweckender als dieſes Bild¬
werk hier iſt, wenn gleich ihr Stoff in der Länge der
vielen Jahre, die er gedauert hat, verunreinigt wor¬
den war.“

„Es iſt gewiß nicht ohne Bedeutung,“ entgegnete
ich, „daß die Menſchen in den edelſten und ſelbſt hie
und da älteſten Völkern zu dieſem Stoffe griffen, wenn
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[398/0412] bloßer Stoff nicht ſo hoch im Preiſe ſteht, wie die geſuchten Steine, die nur in kleinen Stücken vorkom¬ men, ſo iſt er doch ſo auserleſen und ſo wunderbar, daß er nicht bloß in der weißen ſondern auch in jeder andern Farbe begehrt wird, daß man die verſchieden¬ ſten Dinge aus ihm macht, und daß das Höchſte, was menſchliche bildende Kunſt darzuſtellen vermag, in der Reinheit des weißen Marmors ausgeführt wird.“ „Das iſt es, was mich auch immer ſehr ergriff, wenn ich hier ſaß, und betrachtete,“ ſagte ſie, „daß in dem harten Steine das Weiche und Runde der Ge¬ ſtaltung ausgedrückt iſt, und daß man zu der Dar¬ ſtellung des Schönſten in der Welt den Stoff nimmt, der keine Makel hat. Dies ſehe ich ſogar immer an der Geſtalt auf der Treppe unſers Freundes, welche noch ſchöner und ehrfurchterweckender als dieſes Bild¬ werk hier iſt, wenn gleich ihr Stoff in der Länge der vielen Jahre, die er gedauert hat, verunreinigt wor¬ den war.“ „Es iſt gewiß nicht ohne Bedeutung,“ entgegnete ich, „daß die Menſchen in den edelſten und ſelbſt hie und da älteſten Völkern zu dieſem Stoffe griffen, wenn ſie hohes Göttliches oder Menſchliches bilden wollten,

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/412>, abgerufen am 22.11.2024.