Urtheile, wenn irgend eines mit einem überwiegen¬ den Gewichte zu Stande kömmt, wird es abhän¬ gen, ob auch die Kosten zu der Reinigung der an¬ dern Theile des Hauses verwendet werden, oder ob der jezige Zustand, daß eine Seite von der Tünche befreit ist, die übrigen aber damit behaftet sind, der gewiß weniger schön ist, als wenn alles übertüncht geblieben wäre, fortbestehen, oder ob gar das Befreite wieder übertüncht werden solle. Daß ihr übrigens eure Ansichten geringe achtet, daran thut ihr Unrecht. Wenn in der Nähe unsers Freundes Einiges an euch früher zur Blüthe kam, so ist dies wohl sehr natür¬ lich; es ist ja Alles an uns Menschen so, daß es wieder von andern Menschen groß gezogen wird, und es ist das glückliche Vorrecht bedeutender Menschen, daß sie in andern auch das Bedeutende, das wohl sonst später zum Vorscheine gekommen wäre, früher ent¬ wickeln. Wie sicher in euch die Anlage zu dem Höheren und Größeren vorhanden war, zeigt schon die Wahl, mit der ihr aus eigenem Antriebe auf eine wissen¬ schaftliche Beschäftigung gekommen seid, die sonst un¬ sere jungen Leute in den Jahren, in denen ihr euch entschieden habt, nicht zu ergreifen pflegen, und daß euer Herz dem Schönen zugewendet war, geht daraus
Urtheile, wenn irgend eines mit einem überwiegen¬ den Gewichte zu Stande kömmt, wird es abhän¬ gen, ob auch die Koſten zu der Reinigung der an¬ dern Theile des Hauſes verwendet werden, oder ob der jezige Zuſtand, daß eine Seite von der Tünche befreit iſt, die übrigen aber damit behaftet ſind, der gewiß weniger ſchön iſt, als wenn alles übertüncht geblieben wäre, fortbeſtehen, oder ob gar das Befreite wieder übertüncht werden ſolle. Daß ihr übrigens eure Anſichten geringe achtet, daran thut ihr Unrecht. Wenn in der Nähe unſers Freundes Einiges an euch früher zur Blüthe kam, ſo iſt dies wohl ſehr natür¬ lich; es iſt ja Alles an uns Menſchen ſo, daß es wieder von andern Menſchen groß gezogen wird, und es iſt das glückliche Vorrecht bedeutender Menſchen, daß ſie in andern auch das Bedeutende, das wohl ſonſt ſpäter zum Vorſcheine gekommen wäre, früher ent¬ wickeln. Wie ſicher in euch die Anlage zu dem Höheren und Größeren vorhanden war, zeigt ſchon die Wahl, mit der ihr aus eigenem Antriebe auf eine wiſſen¬ ſchaftliche Beſchäftigung gekommen ſeid, die ſonſt un¬ ſere jungen Leute in den Jahren, in denen ihr euch entſchieden habt, nicht zu ergreifen pflegen, und daß euer Herz dem Schönen zugewendet war, geht daraus
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Urtheile, wenn irgend eines mit einem überwiegen¬
den Gewichte zu Stande kömmt, wird es abhän¬
gen, ob auch die Koſten zu der Reinigung der an¬
dern Theile des Hauſes verwendet werden, oder ob
der jezige Zuſtand, daß eine Seite von der Tünche
befreit iſt, die übrigen aber damit behaftet ſind, der
gewiß weniger ſchön iſt, als wenn alles übertüncht
geblieben wäre, fortbeſtehen, oder ob gar das Befreite
wieder übertüncht werden ſolle. Daß ihr übrigens
eure Anſichten geringe achtet, daran thut ihr Unrecht.
Wenn in der Nähe unſers Freundes Einiges an euch
früher zur Blüthe kam, ſo iſt dies wohl ſehr natür¬
lich; es iſt ja Alles an uns Menſchen ſo, daß es
wieder von andern Menſchen groß gezogen wird, und
es iſt das glückliche Vorrecht bedeutender Menſchen,
daß ſie in andern auch das Bedeutende, das wohl ſonſt
ſpäter zum Vorſcheine gekommen wäre, früher ent¬
wickeln. Wie ſicher in euch die Anlage zu dem Höheren
und Größeren vorhanden war, zeigt ſchon die Wahl,
mit der ihr aus eigenem Antriebe auf eine wiſſen¬
ſchaftliche Beſchäftigung gekommen ſeid, die ſonſt un¬
ſere jungen Leute in den Jahren, in denen ihr euch
entſchieden habt, nicht zu ergreifen pflegen, und daß
euer Herz dem Schönen zugewendet war, geht daraus
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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/311>, abgerufen am 22.11.2024.
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