und wild verflochten aber deßohngeachtet bei Weitem nicht so schön war wie das, welches ich verlassen hatte, sezte ich mich wie in einem Mittelpunkte meiner Bestrebungen fest. Ich vermißte das heitere fenster¬ schimmernde Ahornhaus, ich vermißte das ganze Thal, in dem ich beinahe heimisch geworden war. In einem Hause, das an der Öffnung dreier Thäler lag und mir daher den geeignetesten Plaz abgab, miethete ich mich ein. Schwarzer Tannenwald sah auf meine Fenster, schritt an den Bächen, welche aus den drei Thälern kamen, neben feuchten Wiesen und andern offnen Stellen in die Thalgründe hinein, und zog sich auf die Berge. Die höheren Kuppen oder gar die Schnee¬ berge konnte man wegen der Enge des Thales über den finstern Tannen nicht sehen. Das mochte auch die Ursache sein, daß das Haus und die mehreren in den Waldlehnen zerstreuten und an den Bächen hin¬ gehenden Hütten die Tann hießen. Mauern mit grü¬ nem Moose bewachsen bildeten mein Haus, und grenz¬ ten an ein zerfallenes Gärtchen, in welchem wenig mehr als Schnittlauch wuchs. Auf der Gasse war der Boden schwarz, und dieselbe Schwärze zog sich in das Gras hinein; denn das Einzige, welches häufig an diesem Wirthshause ankam, und da hielt, da¬
und wild verflochten aber deßohngeachtet bei Weitem nicht ſo ſchön war wie das, welches ich verlaſſen hatte, ſezte ich mich wie in einem Mittelpunkte meiner Beſtrebungen feſt. Ich vermißte das heitere fenſter¬ ſchimmernde Ahornhaus, ich vermißte das ganze Thal, in dem ich beinahe heimiſch geworden war. In einem Hauſe, das an der Öffnung dreier Thäler lag und mir daher den geeigneteſten Plaz abgab, miethete ich mich ein. Schwarzer Tannenwald ſah auf meine Fenſter, ſchritt an den Bächen, welche aus den drei Thälern kamen, neben feuchten Wieſen und andern offnen Stellen in die Thalgründe hinein, und zog ſich auf die Berge. Die höheren Kuppen oder gar die Schnee¬ berge konnte man wegen der Enge des Thales über den finſtern Tannen nicht ſehen. Das mochte auch die Urſache ſein, daß das Haus und die mehreren in den Waldlehnen zerſtreuten und an den Bächen hin¬ gehenden Hütten die Tann hießen. Mauern mit grü¬ nem Mooſe bewachſen bildeten mein Haus, und grenz¬ ten an ein zerfallenes Gärtchen, in welchem wenig mehr als Schnittlauch wuchs. Auf der Gaſſe war der Boden ſchwarz, und dieſelbe Schwärze zog ſich in das Gras hinein; denn das Einzige, welches häufig an dieſem Wirthshauſe ankam, und da hielt, da¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0296"n="282"/>
und wild verflochten aber deßohngeachtet bei Weitem<lb/>
nicht ſo ſchön war wie das, welches ich verlaſſen<lb/>
hatte, ſezte ich mich wie in einem Mittelpunkte meiner<lb/>
Beſtrebungen feſt. Ich vermißte das heitere fenſter¬<lb/>ſchimmernde Ahornhaus, ich vermißte das ganze Thal,<lb/>
in dem ich beinahe heimiſch geworden war. In einem<lb/>
Hauſe, das an der Öffnung dreier Thäler lag und mir<lb/>
daher den geeigneteſten Plaz abgab, miethete ich mich<lb/>
ein. Schwarzer Tannenwald ſah auf meine Fenſter,<lb/>ſchritt an den Bächen, welche aus den drei Thälern<lb/>
kamen, neben feuchten Wieſen und andern offnen<lb/>
Stellen in die Thalgründe hinein, und zog ſich auf<lb/>
die Berge. Die höheren Kuppen oder gar die Schnee¬<lb/>
berge konnte man wegen der Enge des Thales über<lb/>
den finſtern Tannen nicht ſehen. Das mochte auch<lb/>
die Urſache ſein, daß das Haus und die mehreren in<lb/>
den Waldlehnen zerſtreuten und an den Bächen hin¬<lb/>
gehenden Hütten die Tann hießen. Mauern mit grü¬<lb/>
nem Mooſe bewachſen bildeten mein Haus, und grenz¬<lb/>
ten an ein zerfallenes Gärtchen, in welchem wenig<lb/>
mehr als Schnittlauch wuchs. Auf der Gaſſe war der<lb/>
Boden ſchwarz, und dieſelbe Schwärze zog ſich in<lb/>
das Gras hinein; denn das Einzige, welches häufig<lb/>
an dieſem Wirthshauſe ankam, und da hielt, da¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[282/0296]
und wild verflochten aber deßohngeachtet bei Weitem
nicht ſo ſchön war wie das, welches ich verlaſſen
hatte, ſezte ich mich wie in einem Mittelpunkte meiner
Beſtrebungen feſt. Ich vermißte das heitere fenſter¬
ſchimmernde Ahornhaus, ich vermißte das ganze Thal,
in dem ich beinahe heimiſch geworden war. In einem
Hauſe, das an der Öffnung dreier Thäler lag und mir
daher den geeigneteſten Plaz abgab, miethete ich mich
ein. Schwarzer Tannenwald ſah auf meine Fenſter,
ſchritt an den Bächen, welche aus den drei Thälern
kamen, neben feuchten Wieſen und andern offnen
Stellen in die Thalgründe hinein, und zog ſich auf
die Berge. Die höheren Kuppen oder gar die Schnee¬
berge konnte man wegen der Enge des Thales über
den finſtern Tannen nicht ſehen. Das mochte auch
die Urſache ſein, daß das Haus und die mehreren in
den Waldlehnen zerſtreuten und an den Bächen hin¬
gehenden Hütten die Tann hießen. Mauern mit grü¬
nem Mooſe bewachſen bildeten mein Haus, und grenz¬
ten an ein zerfallenes Gärtchen, in welchem wenig
mehr als Schnittlauch wuchs. Auf der Gaſſe war der
Boden ſchwarz, und dieſelbe Schwärze zog ſich in
das Gras hinein; denn das Einzige, welches häufig
an dieſem Wirthshauſe ankam, und da hielt, da¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/296>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.