aber nicht blos in hohen Ständen gemacht, sondern auch in niedern, und in diesen zwar nicht in der Stadt, sondern bei Gebirgsbewohnern und Landbebauern. In hohen Ständen sah ich junge Leute, namentlich bei der Fürstin war das der Fall, welche jenes Be¬ nehmen, das mir sonst so hoch über mir schien, nicht hatten, sondern sich einfach und wenig vortretend ga¬ ben, höflich und nicht linkisch waren, und an das Wort, das ich öfter in meiner Jugend gehört aber falsch verstanden hatte, "ein junger Mann von guter Erziehung" erinnerten. In den untern Ständen habe ich manchen Mann kennen gelernt, der, wenn er vor solchen stand, die er für höher erachtete, als sich selbst, nicht die Mühe übernahm, auch höher in seinem Be¬ nehmen sein zu wollen, sondern der ruhig so sprach, wie er die Sache verstand, und ruhig die Rede an¬ hörte, die ihm ein Anderer erwiederte. Dieser Mann schien mir auch von höherer Erziehung als die, welche viele Arten des Benehmens wissen und ersichtlich machen. Ein gültiges Beispiel gab mein Gastfreund, der noch einfacher war als jene Männer, von denen ich sagte, daß ich sie bei der Fürstin gesehen habe, und dessen Rede und Thun so klare Achtung erzeugten. Selbst sein Anzug, der Anfangs auffiel, stimmte zu
aber nicht blos in hohen Ständen gemacht, ſondern auch in niedern, und in dieſen zwar nicht in der Stadt, ſondern bei Gebirgsbewohnern und Landbebauern. In hohen Ständen ſah ich junge Leute, namentlich bei der Fürſtin war das der Fall, welche jenes Be¬ nehmen, das mir ſonſt ſo hoch über mir ſchien, nicht hatten, ſondern ſich einfach und wenig vortretend ga¬ ben, höflich und nicht linkiſch waren, und an das Wort, das ich öfter in meiner Jugend gehört aber falſch verſtanden hatte, „ein junger Mann von guter Erziehung“ erinnerten. In den untern Ständen habe ich manchen Mann kennen gelernt, der, wenn er vor ſolchen ſtand, die er für höher erachtete, als ſich ſelbſt, nicht die Mühe übernahm, auch höher in ſeinem Be¬ nehmen ſein zu wollen, ſondern der ruhig ſo ſprach, wie er die Sache verſtand, und ruhig die Rede an¬ hörte, die ihm ein Anderer erwiederte. Dieſer Mann ſchien mir auch von höherer Erziehung als die, welche viele Arten des Benehmens wiſſen und erſichtlich machen. Ein gültiges Beiſpiel gab mein Gaſtfreund, der noch einfacher war als jene Männer, von denen ich ſagte, daß ich ſie bei der Fürſtin geſehen habe, und deſſen Rede und Thun ſo klare Achtung erzeugten. Selbſt ſein Anzug, der Anfangs auffiel, ſtimmte zu
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aber nicht blos in hohen Ständen gemacht, ſondern
auch in niedern, und in dieſen zwar nicht in der Stadt,
ſondern bei Gebirgsbewohnern und Landbebauern.
In hohen Ständen ſah ich junge Leute, namentlich
bei der Fürſtin war das der Fall, welche jenes Be¬
nehmen, das mir ſonſt ſo hoch über mir ſchien, nicht
hatten, ſondern ſich einfach und wenig vortretend ga¬
ben, höflich und nicht linkiſch waren, und an das
Wort, das ich öfter in meiner Jugend gehört aber
falſch verſtanden hatte, „ein junger Mann von guter
Erziehung“ erinnerten. In den untern Ständen habe
ich manchen Mann kennen gelernt, der, wenn er vor
ſolchen ſtand, die er für höher erachtete, als ſich ſelbſt,
nicht die Mühe übernahm, auch höher in ſeinem Be¬
nehmen ſein zu wollen, ſondern der ruhig ſo ſprach,
wie er die Sache verſtand, und ruhig die Rede an¬
hörte, die ihm ein Anderer erwiederte. Dieſer Mann
ſchien mir auch von höherer Erziehung als die, welche
viele Arten des Benehmens wiſſen und erſichtlich
machen. Ein gültiges Beiſpiel gab mein Gaſtfreund,
der noch einfacher war als jene Männer, von denen
ich ſagte, daß ich ſie bei der Fürſtin geſehen habe,
und deſſen Rede und Thun ſo klare Achtung erzeugten.
Selbſt ſein Anzug, der Anfangs auffiel, ſtimmte zu
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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/292>, abgerufen am 25.11.2024.
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