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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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von Landschaften, welches ich im vorigen Jahre mit
der Schwester begonnen hatte, nicht bei Seite gesezt.
Ich nahm mit ihr die Zeichnungen vor, welche sie im
vergangenen Sommer während meiner Abwesenheit
gemacht hatte, und so wie ich von meinem Gastfreunde
von Eustach und von dem Vater über die Fehler be¬
lehrt worden war, die sich in meinen Landschaftsver¬
suchen befanden, so belehrte ich Klotilden wieder über
die ihrigen.

Seit ich Mathilden kannte, besonders aber jezt,
nachdem ich öfter in ihrer Gesellschaft gewesen war,
und im Spätherbste die Reise mit ihr und den andern
in das Hochland gemacht hatte, war ich auch auf die
Angesichter ältlicher und alter Frauen aufmerksam ge¬
worden. Man thut sehr Unrecht, und ich bin mir be¬
wußt, daß ich es auch gethan habe, und gewiß han¬
deln andere Leute in ihrer Jugend ebenfalls so, wenn
man die Angesichter von Frauen und Mädchen, so¬
bald sie ein gewisses Alter erreicht haben, sofort be¬
seitigt, und sie für etwas hält, das die Betrachtung
nicht mehr lohnt. Ich fing jezt zu denken an, daß es
anders sei. Die große Schönheit und Jugend reißt
unsere Aufmerksamkeit hin, und erregt ein tiefstes Ge¬
fallen; warum sollten wir aber mit dem Geiste nicht

von Landſchaften, welches ich im vorigen Jahre mit
der Schweſter begonnen hatte, nicht bei Seite geſezt.
Ich nahm mit ihr die Zeichnungen vor, welche ſie im
vergangenen Sommer während meiner Abweſenheit
gemacht hatte, und ſo wie ich von meinem Gaſtfreunde
von Euſtach und von dem Vater über die Fehler be¬
lehrt worden war, die ſich in meinen Landſchaftsver¬
ſuchen befanden, ſo belehrte ich Klotilden wieder über
die ihrigen.

Seit ich Mathilden kannte, beſonders aber jezt,
nachdem ich öfter in ihrer Geſellſchaft geweſen war,
und im Spätherbſte die Reiſe mit ihr und den andern
in das Hochland gemacht hatte, war ich auch auf die
Angeſichter ältlicher und alter Frauen aufmerkſam ge¬
worden. Man thut ſehr Unrecht, und ich bin mir be¬
wußt, daß ich es auch gethan habe, und gewiß han¬
deln andere Leute in ihrer Jugend ebenfalls ſo, wenn
man die Angeſichter von Frauen und Mädchen, ſo¬
bald ſie ein gewiſſes Alter erreicht haben, ſofort be¬
ſeitigt, und ſie für etwas hält, das die Betrachtung
nicht mehr lohnt. Ich fing jezt zu denken an, daß es
anders ſei. Die große Schönheit und Jugend reißt
unſere Aufmerkſamkeit hin, und erregt ein tiefſtes Ge¬
fallen; warum ſollten wir aber mit dem Geiſte nicht

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[252/0266] von Landſchaften, welches ich im vorigen Jahre mit der Schweſter begonnen hatte, nicht bei Seite geſezt. Ich nahm mit ihr die Zeichnungen vor, welche ſie im vergangenen Sommer während meiner Abweſenheit gemacht hatte, und ſo wie ich von meinem Gaſtfreunde von Euſtach und von dem Vater über die Fehler be¬ lehrt worden war, die ſich in meinen Landſchaftsver¬ ſuchen befanden, ſo belehrte ich Klotilden wieder über die ihrigen. Seit ich Mathilden kannte, beſonders aber jezt, nachdem ich öfter in ihrer Geſellſchaft geweſen war, und im Spätherbſte die Reiſe mit ihr und den andern in das Hochland gemacht hatte, war ich auch auf die Angeſichter ältlicher und alter Frauen aufmerkſam ge¬ worden. Man thut ſehr Unrecht, und ich bin mir be¬ wußt, daß ich es auch gethan habe, und gewiß han¬ deln andere Leute in ihrer Jugend ebenfalls ſo, wenn man die Angeſichter von Frauen und Mädchen, ſo¬ bald ſie ein gewiſſes Alter erreicht haben, ſofort be¬ ſeitigt, und ſie für etwas hält, das die Betrachtung nicht mehr lohnt. Ich fing jezt zu denken an, daß es anders ſei. Die große Schönheit und Jugend reißt unſere Aufmerkſamkeit hin, und erregt ein tiefſtes Ge¬ fallen; warum ſollten wir aber mit dem Geiſte nicht

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/266>, abgerufen am 25.11.2024.