Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

stellungen nicht passen. Im Lesen in ihrer Sprache
und in ihren Dichtungen und Geschichten wird man
nach und nach einer von ihnen, und lernt ihre Art
beurtheilen, was man sonst nie mehr kann. In un¬
sern Schulen lernen wir ja römisch und griechisch,
und wenn man in der Zeit nach der Schule noch et¬
was nachhilft, und fleißig in den alten Schriften
liest, so fügt sich die Sache ohne Mühe, und gelingt
leichter, als man etwa das Französische Italienische
oder Englische lernt, wie es ja jezt die meisten Leute
thun."

"Du hast ja aber auch diese Sprachen gelernt,"
sagte ich.

"Wie sie auch andere lernen," antwortete er, "und
wie es mein Stand foderte."

"Ich habe es bis heute nicht gewußt, daß du in
den alten Sprachen Bücher liesest," sagte ich, "und
was noch mehr ist, daß du dich in die Dichtkunst in
die Geschichte und Weltweisheit der Völker, deren
Schriften du liesest, vertiefest. Du weißt, daß wir
uns nie anmaßten, die Bücher zu untersuchen, in de¬
nen du liesest."

"Es war keine Ursache vorhanden, dir zu erzäh¬

ſtellungen nicht paſſen. Im Leſen in ihrer Sprache
und in ihren Dichtungen und Geſchichten wird man
nach und nach einer von ihnen, und lernt ihre Art
beurtheilen, was man ſonſt nie mehr kann. In un¬
ſern Schulen lernen wir ja römiſch und griechiſch,
und wenn man in der Zeit nach der Schule noch et¬
was nachhilft, und fleißig in den alten Schriften
liest, ſo fügt ſich die Sache ohne Mühe, und gelingt
leichter, als man etwa das Franzöſiſche Italieniſche
oder Engliſche lernt, wie es ja jezt die meiſten Leute
thun.“

„Du haſt ja aber auch dieſe Sprachen gelernt,“
ſagte ich.

„Wie ſie auch andere lernen,“ antwortete er, „und
wie es mein Stand foderte.“

„Ich habe es bis heute nicht gewußt, daß du in
den alten Sprachen Bücher lieſeſt,“ ſagte ich, „und
was noch mehr iſt, daß du dich in die Dichtkunſt in
die Geſchichte und Weltweisheit der Völker, deren
Schriften du lieſeſt, vertiefeſt. Du weißt, daß wir
uns nie anmaßten, die Bücher zu unterſuchen, in de¬
nen du lieſeſt.“

„Es war keine Urſache vorhanden, dir zu erzäh¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0261" n="247"/>
&#x017F;tellungen nicht pa&#x017F;&#x017F;en. Im Le&#x017F;en in ihrer Sprache<lb/>
und in ihren Dichtungen und Ge&#x017F;chichten wird man<lb/>
nach und nach einer von ihnen, und lernt ihre Art<lb/>
beurtheilen, was man &#x017F;on&#x017F;t nie mehr kann. In un¬<lb/>
&#x017F;ern Schulen lernen wir ja römi&#x017F;ch und griechi&#x017F;ch,<lb/>
und wenn man in der Zeit nach der Schule noch et¬<lb/>
was nachhilft, und fleißig in den alten Schriften<lb/>
liest, &#x017F;o fügt &#x017F;ich die Sache ohne Mühe, und gelingt<lb/>
leichter, als man etwa das Franzö&#x017F;i&#x017F;che Italieni&#x017F;che<lb/>
oder Engli&#x017F;che lernt, wie es ja jezt die mei&#x017F;ten Leute<lb/>
thun.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Du ha&#x017F;t ja aber auch die&#x017F;e Sprachen gelernt,&#x201C;<lb/>
&#x017F;agte ich.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wie &#x017F;ie auch andere lernen,&#x201C; antwortete er, &#x201E;und<lb/>
wie es mein Stand foderte.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich habe es bis heute nicht gewußt, daß du in<lb/>
den alten Sprachen Bücher lie&#x017F;e&#x017F;t,&#x201C; &#x017F;agte ich, &#x201E;und<lb/>
was noch mehr i&#x017F;t, daß du dich in die Dichtkun&#x017F;t in<lb/>
die Ge&#x017F;chichte und Weltweisheit der Völker, deren<lb/>
Schriften du lie&#x017F;e&#x017F;t, vertiefe&#x017F;t. Du weißt, daß wir<lb/>
uns nie anmaßten, die Bücher zu unter&#x017F;uchen, in de¬<lb/>
nen du lie&#x017F;e&#x017F;t.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Es war keine Ur&#x017F;ache vorhanden, dir zu erzäh¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[247/0261] ſtellungen nicht paſſen. Im Leſen in ihrer Sprache und in ihren Dichtungen und Geſchichten wird man nach und nach einer von ihnen, und lernt ihre Art beurtheilen, was man ſonſt nie mehr kann. In un¬ ſern Schulen lernen wir ja römiſch und griechiſch, und wenn man in der Zeit nach der Schule noch et¬ was nachhilft, und fleißig in den alten Schriften liest, ſo fügt ſich die Sache ohne Mühe, und gelingt leichter, als man etwa das Franzöſiſche Italieniſche oder Engliſche lernt, wie es ja jezt die meiſten Leute thun.“ „Du haſt ja aber auch dieſe Sprachen gelernt,“ ſagte ich. „Wie ſie auch andere lernen,“ antwortete er, „und wie es mein Stand foderte.“ „Ich habe es bis heute nicht gewußt, daß du in den alten Sprachen Bücher lieſeſt,“ ſagte ich, „und was noch mehr iſt, daß du dich in die Dichtkunſt in die Geſchichte und Weltweisheit der Völker, deren Schriften du lieſeſt, vertiefeſt. Du weißt, daß wir uns nie anmaßten, die Bücher zu unterſuchen, in de¬ nen du lieſeſt.“ „Es war keine Urſache vorhanden, dir zu erzäh¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/261
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/261>, abgerufen am 25.11.2024.