alte Bilder besize. Es war ein kräftiges und gewal¬ tiges Geschlecht, das damals wirkte. Dann kam eine schwächliche und entartetere Zeit. Sie meinte es bes¬ ser zu machen, wenn sie die Gestalten reicher und ver¬ blasener bildete, wenn sie heftiger in der Farbe und weniger tief im Schatten würde. Sie lernte das Alte nach und nach mißachten, daher ließ sie dasselbe verfallen, ja die mit der Unkenntniß eintretende Rohheit zerstörte Manches, besonders wenn wilde und verworrene Zeitläufe eintraten. Man wendete dann wieder um, und achtete allgemeiner wieder das Alte -- von allen Seiten mißachtet war es nie¬ mals. -- Man suchte sogar nachzuahmen, nicht blos in der Malerkunst sondern auch und zwar noch mehr in der Baukunst; man konnte aber das Vorbild weder in der Grundeinheit noch in der Ausführung errei¬ chen, so gut und treu die neuen Einzelnheiten auch gewesen sein mochten. Es ist langsam besser gewor¬ den, was sich eben in dem Zeichen kund that, daß man alte Bauwerke wieder schäzte -- ich selber weiß noch eine Zeit, in welcher Reisende und Schriftstel¬ ler, die man für gelehrt und spruchberechtigt achtete, die gothische Bauweise für barbarisch und veraltet er¬ klärten -- daß man alte Bilder hervor zog ja alte
alte Bilder beſize. Es war ein kräftiges und gewal¬ tiges Geſchlecht, das damals wirkte. Dann kam eine ſchwächliche und entartetere Zeit. Sie meinte es beſ¬ ſer zu machen, wenn ſie die Geſtalten reicher und ver¬ blaſener bildete, wenn ſie heftiger in der Farbe und weniger tief im Schatten würde. Sie lernte das Alte nach und nach mißachten, daher ließ ſie daſſelbe verfallen, ja die mit der Unkenntniß eintretende Rohheit zerſtörte Manches, beſonders wenn wilde und verworrene Zeitläufe eintraten. Man wendete dann wieder um, und achtete allgemeiner wieder das Alte — von allen Seiten mißachtet war es nie¬ mals. — Man ſuchte ſogar nachzuahmen, nicht blos in der Malerkunſt ſondern auch und zwar noch mehr in der Baukunſt; man konnte aber das Vorbild weder in der Grundeinheit noch in der Ausführung errei¬ chen, ſo gut und treu die neuen Einzelnheiten auch geweſen ſein mochten. Es iſt langſam beſſer gewor¬ den, was ſich eben in dem Zeichen kund that, daß man alte Bauwerke wieder ſchäzte — ich ſelber weiß noch eine Zeit, in welcher Reiſende und Schriftſtel¬ ler, die man für gelehrt und ſpruchberechtigt achtete, die gothiſche Bauweiſe für barbariſch und veraltet er¬ klärten — daß man alte Bilder hervor zog ja alte
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alte Bilder beſize. Es war ein kräftiges und gewal¬
tiges Geſchlecht, das damals wirkte. Dann kam eine
ſchwächliche und entartetere Zeit. Sie meinte es beſ¬
ſer zu machen, wenn ſie die Geſtalten reicher und ver¬
blaſener bildete, wenn ſie heftiger in der Farbe und
weniger tief im Schatten würde. Sie lernte das Alte
nach und nach mißachten, daher ließ ſie daſſelbe
verfallen, ja die mit der Unkenntniß eintretende
Rohheit zerſtörte Manches, beſonders wenn wilde
und verworrene Zeitläufe eintraten. Man wendete
dann wieder um, und achtete allgemeiner wieder
das Alte — von allen Seiten mißachtet war es nie¬
mals. — Man ſuchte ſogar nachzuahmen, nicht blos
in der Malerkunſt ſondern auch und zwar noch mehr
in der Baukunſt; man konnte aber das Vorbild weder
in der Grundeinheit noch in der Ausführung errei¬
chen, ſo gut und treu die neuen Einzelnheiten auch
geweſen ſein mochten. Es iſt langſam beſſer gewor¬
den, was ſich eben in dem Zeichen kund that, daß
man alte Bauwerke wieder ſchäzte — ich ſelber weiß
noch eine Zeit, in welcher Reiſende und Schriftſtel¬
ler, die man für gelehrt und ſpruchberechtigt achtete,
die gothiſche Bauweiſe für barbariſch und veraltet er¬
klärten — daß man alte Bilder hervor zog ja alte
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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/248>, abgerufen am 25.11.2024.
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