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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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es noch unzählige Erhebungen zum Göttlichen gibt,
ohne daß sie den Kunstausdruck finden, Ergebung
Pflichttreue das Gebet Reinheit des Wandels, woran
wir uns auch erfreuen, ja woran die Freude den
höchsten Gipfel erreichen kann, ohne daß sie doch
Kunstgefühl wird. Sie kann etwas Höheres sein,
sie wird als Höchstes dem Unendlichen gegenüber so¬
gar Anbethung, und ist daher ernster und strenger als
das Kunstgefühl, hat aber nicht das Holde des Rei¬
zes desselben. Daher ist die Kunst nur möglich in
einer gewissen Beschränkung, in der die Annäherung
zu dem Göttlichen von dem Banne der Sinne um¬
ringt ist, und gerade ihren Ausdruck in den Sin¬
nen findet. Darum hat nur der Mensch allein die
Kunst, und wird sie haben, so lange er ist, wie sehr
die Äußerungen derselben auch wechseln mögen. Es
wäre des höchsten Wunsches würdig, wenn nach Ab¬
schluß des Menschlichen ein Geist die gesammte Kunst
des menschlichen Geschlechtes von ihrem Entstehen
bis zu ihrem Vergehen zusammenfassen und über¬
schauen dürfte."

Mathilde antwortete hierauf mit Lächeln: "Das
wäre ja im Großen, was du jezt im Kleinen thust,

es noch unzählige Erhebungen zum Göttlichen gibt,
ohne daß ſie den Kunſtausdruck finden, Ergebung
Pflichttreue das Gebet Reinheit des Wandels, woran
wir uns auch erfreuen, ja woran die Freude den
höchſten Gipfel erreichen kann, ohne daß ſie doch
Kunſtgefühl wird. Sie kann etwas Höheres ſein,
ſie wird als Höchſtes dem Unendlichen gegenüber ſo¬
gar Anbethung, und iſt daher ernſter und ſtrenger als
das Kunſtgefühl, hat aber nicht das Holde des Rei¬
zes desſelben. Daher iſt die Kunſt nur möglich in
einer gewiſſen Beſchränkung, in der die Annäherung
zu dem Göttlichen von dem Banne der Sinne um¬
ringt iſt, und gerade ihren Ausdruck in den Sin¬
nen findet. Darum hat nur der Menſch allein die
Kunſt, und wird ſie haben, ſo lange er iſt, wie ſehr
die Äußerungen derſelben auch wechſeln mögen. Es
wäre des höchſten Wunſches würdig, wenn nach Ab¬
ſchluß des Menſchlichen ein Geiſt die geſammte Kunſt
des menſchlichen Geſchlechtes von ihrem Entſtehen
bis zu ihrem Vergehen zuſammenfaſſen und über¬
ſchauen dürfte.“

Mathilde antwortete hierauf mit Lächeln: „Das
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[222/0236] es noch unzählige Erhebungen zum Göttlichen gibt, ohne daß ſie den Kunſtausdruck finden, Ergebung Pflichttreue das Gebet Reinheit des Wandels, woran wir uns auch erfreuen, ja woran die Freude den höchſten Gipfel erreichen kann, ohne daß ſie doch Kunſtgefühl wird. Sie kann etwas Höheres ſein, ſie wird als Höchſtes dem Unendlichen gegenüber ſo¬ gar Anbethung, und iſt daher ernſter und ſtrenger als das Kunſtgefühl, hat aber nicht das Holde des Rei¬ zes desſelben. Daher iſt die Kunſt nur möglich in einer gewiſſen Beſchränkung, in der die Annäherung zu dem Göttlichen von dem Banne der Sinne um¬ ringt iſt, und gerade ihren Ausdruck in den Sin¬ nen findet. Darum hat nur der Menſch allein die Kunſt, und wird ſie haben, ſo lange er iſt, wie ſehr die Äußerungen derſelben auch wechſeln mögen. Es wäre des höchſten Wunſches würdig, wenn nach Ab¬ ſchluß des Menſchlichen ein Geiſt die geſammte Kunſt des menſchlichen Geſchlechtes von ihrem Entſtehen bis zu ihrem Vergehen zuſammenfaſſen und über¬ ſchauen dürfte.“ Mathilde antwortete hierauf mit Lächeln: „Das wäre ja im Großen, was du jezt im Kleinen thuſt,

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/236>, abgerufen am 22.11.2024.