Herzen. Ich nahm mir vor, einmal von dieser Schniz¬ arbeit ein genaues Abbild zu machen, und es meinem Vater zu bringen.
Ich äußerte mich, wie schön wie groß einmal die Kunst gewirkt habe, und wie dies jezt anders gewor¬ den scheine.
"Es sind in der Kunst viele Anfänge gemacht worden," sagte mein Gastfreund. "Wenn man die Werke betrachtet, die uns aus sehr alten Zeiten über¬ liefert worden sind, aus den Zeiten der egiptischen Reiche des assirischen medischen persischen der Reiche Indiens Kleinasiens Griechenlands Roms -- vieles wird noch erst in unsern Zeiten aus der Erde zu Tage gefördert, vieles harrt noch der zukünftigen Enthül¬ lung, wer weiß, ob nicht sogar auch Amerika Schä¬ zenswerthes verbirgt -- wenn man diese Werke be¬ trachtet, und wenn man die besten Schriften liest, die über die Entwicklung der Kunst geschrieben worden sind: so sieht man, daß die Menschen in der Erschaf¬ fung einer Schöpfung, die der des göttlichen Schö¬ pfers ähnlich sein soll, -- und das ist ja die Kunst, sie nimmt Theile, größere oder kleinere der Schöpfung und ahmt sie nach -- immer in Anfängen geblieben sind, sie sind gewissermaßen Kinder, die nachäffen.
Herzen. Ich nahm mir vor, einmal von dieſer Schniz¬ arbeit ein genaues Abbild zu machen, und es meinem Vater zu bringen.
Ich äußerte mich, wie ſchön wie groß einmal die Kunſt gewirkt habe, und wie dies jezt anders gewor¬ den ſcheine.
„Es ſind in der Kunſt viele Anfänge gemacht worden,“ ſagte mein Gaſtfreund. „Wenn man die Werke betrachtet, die uns aus ſehr alten Zeiten über¬ liefert worden ſind, aus den Zeiten der egiptiſchen Reiche des aſſiriſchen mediſchen perſiſchen der Reiche Indiens Kleinaſiens Griechenlands Roms — vieles wird noch erſt in unſern Zeiten aus der Erde zu Tage gefördert, vieles harrt noch der zukünftigen Enthül¬ lung, wer weiß, ob nicht ſogar auch Amerika Schä¬ zenswerthes verbirgt — wenn man dieſe Werke be¬ trachtet, und wenn man die beſten Schriften liest, die über die Entwicklung der Kunſt geſchrieben worden ſind: ſo ſieht man, daß die Menſchen in der Erſchaf¬ fung einer Schöpfung, die der des göttlichen Schö¬ pfers ähnlich ſein ſoll, — und das iſt ja die Kunſt, ſie nimmt Theile, größere oder kleinere der Schöpfung und ahmt ſie nach — immer in Anfängen geblieben ſind, ſie ſind gewiſſermaßen Kinder, die nachäffen.
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Herzen. Ich nahm mir vor, einmal von dieſer Schniz¬
arbeit ein genaues Abbild zu machen, und es meinem
Vater zu bringen.
Ich äußerte mich, wie ſchön wie groß einmal die
Kunſt gewirkt habe, und wie dies jezt anders gewor¬
den ſcheine.
„Es ſind in der Kunſt viele Anfänge gemacht
worden,“ ſagte mein Gaſtfreund. „Wenn man die
Werke betrachtet, die uns aus ſehr alten Zeiten über¬
liefert worden ſind, aus den Zeiten der egiptiſchen
Reiche des aſſiriſchen mediſchen perſiſchen der Reiche
Indiens Kleinaſiens Griechenlands Roms — vieles
wird noch erſt in unſern Zeiten aus der Erde zu Tage
gefördert, vieles harrt noch der zukünftigen Enthül¬
lung, wer weiß, ob nicht ſogar auch Amerika Schä¬
zenswerthes verbirgt — wenn man dieſe Werke be¬
trachtet, und wenn man die beſten Schriften liest, die
über die Entwicklung der Kunſt geſchrieben worden
ſind: ſo ſieht man, daß die Menſchen in der Erſchaf¬
fung einer Schöpfung, die der des göttlichen Schö¬
pfers ähnlich ſein ſoll, — und das iſt ja die Kunſt,
ſie nimmt Theile, größere oder kleinere der Schöpfung
und ahmt ſie nach — immer in Anfängen geblieben
ſind, ſie ſind gewiſſermaßen Kinder, die nachäffen.
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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/232>, abgerufen am 22.11.2024.
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