Dachung empor gekommen, welche das niedrere Land von dem Hochlande trennt, und fuhren nun in das eigentliche Ziel unserer Reise hinein.
Mein Gastfreund hatte Recht. In dem milden sanften Schimmer der Nachmittagsonne, die hier fast wärmer schien als in den Ebenen und Thälern des Tieflandes, fuhren wir einem lieblichen Schauplaze entgegen. Selbst untergeordnete Umstände vereinig¬ ten sich, die Reise angenehm zu machen. Die sandi¬ gen Straßen des Oberlandes, welche auch sehr gut gebaut waren, zeigten sich ohne staubig zu sein sehr trocken, was von den Wegen in der Tiefe nicht gesagt werden konnte, die theils durch die täglichen Mor¬ gennebel getränkt theils ihres schweren Bodens hal¬ ber schon in langen Strecken feucht kühl und schmuzig waren. So rollten wir bequem dahin, alles war klar durchsichtig und ruhig. Nataliens gelber Reisestroh¬ hut tauchte vor uns auf oder verschwand, so wie ihr Wagen einen leichten Wall hinan ging oder jenseits desselben hinab fuhr. Die Sonne stand an dem wol¬ kenlosen Himmel, aber schon tief gegen Süden, gleich¬ sam als wollte sie für dieses Jahr Abschied nehmen. Die lezte Kraft ihrer Strahlen glänzte noch um man¬ ches Gestein und um die bunten Farben des Gestrip¬
Stifter, Nachsommer. Il. 14
Dachung empor gekommen, welche das niedrere Land von dem Hochlande trennt, und fuhren nun in das eigentliche Ziel unſerer Reiſe hinein.
Mein Gaſtfreund hatte Recht. In dem milden ſanften Schimmer der Nachmittagſonne, die hier faſt wärmer ſchien als in den Ebenen und Thälern des Tieflandes, fuhren wir einem lieblichen Schauplaze entgegen. Selbſt untergeordnete Umſtände vereinig¬ ten ſich, die Reiſe angenehm zu machen. Die ſandi¬ gen Straßen des Oberlandes, welche auch ſehr gut gebaut waren, zeigten ſich ohne ſtaubig zu ſein ſehr trocken, was von den Wegen in der Tiefe nicht geſagt werden konnte, die theils durch die täglichen Mor¬ gennebel getränkt theils ihres ſchweren Bodens hal¬ ber ſchon in langen Strecken feucht kühl und ſchmuzig waren. So rollten wir bequem dahin, alles war klar durchſichtig und ruhig. Nataliens gelber Reiſeſtroh¬ hut tauchte vor uns auf oder verſchwand, ſo wie ihr Wagen einen leichten Wall hinan ging oder jenſeits desſelben hinab fuhr. Die Sonne ſtand an dem wol¬ kenloſen Himmel, aber ſchon tief gegen Süden, gleich¬ ſam als wollte ſie für dieſes Jahr Abſchied nehmen. Die lezte Kraft ihrer Strahlen glänzte noch um man¬ ches Geſtein und um die bunten Farben des Geſtrip¬
Stifter, Nachſommer. Il. 14
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[209/0223]
Dachung empor gekommen, welche das niedrere Land
von dem Hochlande trennt, und fuhren nun in das
eigentliche Ziel unſerer Reiſe hinein.
Mein Gaſtfreund hatte Recht. In dem milden
ſanften Schimmer der Nachmittagſonne, die hier faſt
wärmer ſchien als in den Ebenen und Thälern des
Tieflandes, fuhren wir einem lieblichen Schauplaze
entgegen. Selbſt untergeordnete Umſtände vereinig¬
ten ſich, die Reiſe angenehm zu machen. Die ſandi¬
gen Straßen des Oberlandes, welche auch ſehr gut
gebaut waren, zeigten ſich ohne ſtaubig zu ſein ſehr
trocken, was von den Wegen in der Tiefe nicht geſagt
werden konnte, die theils durch die täglichen Mor¬
gennebel getränkt theils ihres ſchweren Bodens hal¬
ber ſchon in langen Strecken feucht kühl und ſchmuzig
waren. So rollten wir bequem dahin, alles war klar
durchſichtig und ruhig. Nataliens gelber Reiſeſtroh¬
hut tauchte vor uns auf oder verſchwand, ſo wie ihr
Wagen einen leichten Wall hinan ging oder jenſeits
desſelben hinab fuhr. Die Sonne ſtand an dem wol¬
kenloſen Himmel, aber ſchon tief gegen Süden, gleich¬
ſam als wollte ſie für dieſes Jahr Abſchied nehmen.
Die lezte Kraft ihrer Strahlen glänzte noch um man¬
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Stifter, Nachſommer. Il. 14
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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/223>, abgerufen am 28.11.2024.
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