und von dem sie erwarteten, daß ich vielleicht mein Gemüth zu ihm hinwenden würde. Mich erfüllte diese Betrachtung einigermaßen mit Scham, und ich erschien mir gegenüber all den Personen, die nun durch meine Vorstellung gingen, als ungefüg und unbehilflich; aber da sie immer so gut und liebreich gegen mich gewesen waren, so schloß ich aus diesem Umstande, daß sie nicht nachtheilig über mich geur¬ theilt, und daß sie meinen Antheil an dem, was ihnen bereits theuer war, als sicher bevorstehend betrachtet haben. Dieser Gedanke beruhigte mich eines Theiles wieder. Besonders aber gereichte es mir zur Ge¬ nugthuung, daß sie mit einer Art von Freude in die Gespräche eingingen, die sich jezt über bildende Kunst entspannen, daß also das nicht unsachgemäß sein mußte, was ich in dieser Richtung jezt äußerte, und daß es ihnen angenehm war, mit mir auf einer Le¬ bensrichtung zusammen zu treffen, welche für sie Wichtigkeit hatte.
Eines Tages, da die Blüthe der Rosen schon bei¬ nahe zu Ende war, wurde ich unfreiwillig der Zeuge einiger Worte, welche Mathilde an meinen Gast¬ freund richtete, und welche offenbar nur für diesen allein bestimmt waren. Ich zeichnete in einer Stube
und von dem ſie erwarteten, daß ich vielleicht mein Gemüth zu ihm hinwenden würde. Mich erfüllte dieſe Betrachtung einigermaßen mit Scham, und ich erſchien mir gegenüber all den Perſonen, die nun durch meine Vorſtellung gingen, als ungefüg und unbehilflich; aber da ſie immer ſo gut und liebreich gegen mich geweſen waren, ſo ſchloß ich aus dieſem Umſtande, daß ſie nicht nachtheilig über mich geur¬ theilt, und daß ſie meinen Antheil an dem, was ihnen bereits theuer war, als ſicher bevorſtehend betrachtet haben. Dieſer Gedanke beruhigte mich eines Theiles wieder. Beſonders aber gereichte es mir zur Ge¬ nugthuung, daß ſie mit einer Art von Freude in die Geſpräche eingingen, die ſich jezt über bildende Kunſt entſpannen, daß alſo das nicht unſachgemäß ſein mußte, was ich in dieſer Richtung jezt äußerte, und daß es ihnen angenehm war, mit mir auf einer Le¬ bensrichtung zuſammen zu treffen, welche für ſie Wichtigkeit hatte.
Eines Tages, da die Blüthe der Roſen ſchon bei¬ nahe zu Ende war, wurde ich unfreiwillig der Zeuge einiger Worte, welche Mathilde an meinen Gaſt¬ freund richtete, und welche offenbar nur für dieſen allein beſtimmt waren. Ich zeichnete in einer Stube
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und von dem ſie erwarteten, daß ich vielleicht mein
Gemüth zu ihm hinwenden würde. Mich erfüllte
dieſe Betrachtung einigermaßen mit Scham, und ich
erſchien mir gegenüber all den Perſonen, die nun
durch meine Vorſtellung gingen, als ungefüg und
unbehilflich; aber da ſie immer ſo gut und liebreich
gegen mich geweſen waren, ſo ſchloß ich aus dieſem
Umſtande, daß ſie nicht nachtheilig über mich geur¬
theilt, und daß ſie meinen Antheil an dem, was ihnen
bereits theuer war, als ſicher bevorſtehend betrachtet
haben. Dieſer Gedanke beruhigte mich eines Theiles
wieder. Beſonders aber gereichte es mir zur Ge¬
nugthuung, daß ſie mit einer Art von Freude in die
Geſpräche eingingen, die ſich jezt über bildende Kunſt
entſpannen, daß alſo das nicht unſachgemäß ſein
mußte, was ich in dieſer Richtung jezt äußerte, und
daß es ihnen angenehm war, mit mir auf einer Le¬
bensrichtung zuſammen zu treffen, welche für ſie
Wichtigkeit hatte.
Eines Tages, da die Blüthe der Roſen ſchon bei¬
nahe zu Ende war, wurde ich unfreiwillig der Zeuge
einiger Worte, welche Mathilde an meinen Gaſt¬
freund richtete, und welche offenbar nur für dieſen
allein beſtimmt waren. Ich zeichnete in einer Stube
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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/194>, abgerufen am 03.02.2025.
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