den ganzen Sommer über blos für mein Vergnügen zu leben, und daß ich es mit großem Danke anerken¬ nen müsse, daß mir erlaubt sei, auf diesem Size ver¬ weilen zu dürfen, der das Herz den Verstand und das ganze Wesen eines jungen Mannes so zu bilden ge¬ eignet sei.
Natalie stand vor mir, da dieses gesprochen wor¬ den war. Sie erschien mir in diesem Jahre vollkom¬ mener geworden, und war so außerordentlich schön, wie ich nie in meinem ganzen Leben ein weibliches Wesen gesehen habe.
Sie sagte kein Wort zu mir, sondern sah mich nur an. Ich war nicht im Stande, etwas aufzufin¬ den, was ich zur Bewillkommung hätte sagen kön¬ nen. Ich verbeugte mich stumm, und sie erwiederte diese Verbeugung durch eine gleiche.
Hierauf gingen wir in das Haus.
Die Tage verflossen wie die in den vergangenen Jahren. Nur eine einzige Ausnahme trat ein. Man begann nach und nach von den Bildern zu sprechen, man sprach von der Marmorgestalt, welche auf der schönen Treppe des Hauses stand, man ging öfter in das Bilderzimmer, und besah Verschiedenes, und man verweilte manche Augenblicke in der dämmerigen
den ganzen Sommer über blos für mein Vergnügen zu leben, und daß ich es mit großem Danke anerken¬ nen müſſe, daß mir erlaubt ſei, auf dieſem Size ver¬ weilen zu dürfen, der das Herz den Verſtand und das ganze Weſen eines jungen Mannes ſo zu bilden ge¬ eignet ſei.
Natalie ſtand vor mir, da dieſes geſprochen wor¬ den war. Sie erſchien mir in dieſem Jahre vollkom¬ mener geworden, und war ſo außerordentlich ſchön, wie ich nie in meinem ganzen Leben ein weibliches Weſen geſehen habe.
Sie ſagte kein Wort zu mir, ſondern ſah mich nur an. Ich war nicht im Stande, etwas aufzufin¬ den, was ich zur Bewillkommung hätte ſagen kön¬ nen. Ich verbeugte mich ſtumm, und ſie erwiederte dieſe Verbeugung durch eine gleiche.
Hierauf gingen wir in das Haus.
Die Tage verfloſſen wie die in den vergangenen Jahren. Nur eine einzige Ausnahme trat ein. Man begann nach und nach von den Bildern zu ſprechen, man ſprach von der Marmorgeſtalt, welche auf der ſchönen Treppe des Hauſes ſtand, man ging öfter in das Bilderzimmer, und beſah Verſchiedenes, und man verweilte manche Augenblicke in der dämmerigen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0192"n="178"/>
den ganzen Sommer über blos für mein Vergnügen<lb/>
zu leben, und daß ich es mit großem Danke anerken¬<lb/>
nen müſſe, daß mir erlaubt ſei, auf dieſem Size ver¬<lb/>
weilen zu dürfen, der das Herz den Verſtand und das<lb/>
ganze Weſen eines jungen Mannes ſo zu bilden ge¬<lb/>
eignet ſei.</p><lb/><p>Natalie ſtand vor mir, da dieſes geſprochen wor¬<lb/>
den war. Sie erſchien mir in dieſem Jahre vollkom¬<lb/>
mener geworden, und war ſo außerordentlich ſchön,<lb/>
wie ich nie in meinem ganzen Leben ein weibliches<lb/>
Weſen geſehen habe.</p><lb/><p>Sie ſagte kein Wort zu mir, ſondern ſah mich<lb/>
nur an. Ich war nicht im Stande, etwas aufzufin¬<lb/>
den, was ich zur Bewillkommung hätte ſagen kön¬<lb/>
nen. Ich verbeugte mich ſtumm, und ſie erwiederte<lb/>
dieſe Verbeugung durch eine gleiche.</p><lb/><p>Hierauf gingen wir in das Haus.</p><lb/><p>Die Tage verfloſſen wie die in den vergangenen<lb/>
Jahren. Nur eine einzige Ausnahme trat ein. Man<lb/>
begann nach und nach von den Bildern zu ſprechen,<lb/>
man ſprach von der Marmorgeſtalt, welche auf der<lb/>ſchönen Treppe des Hauſes ſtand, man ging öfter in<lb/>
das Bilderzimmer, und beſah Verſchiedenes, und<lb/>
man verweilte manche Augenblicke in der dämmerigen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[178/0192]
den ganzen Sommer über blos für mein Vergnügen
zu leben, und daß ich es mit großem Danke anerken¬
nen müſſe, daß mir erlaubt ſei, auf dieſem Size ver¬
weilen zu dürfen, der das Herz den Verſtand und das
ganze Weſen eines jungen Mannes ſo zu bilden ge¬
eignet ſei.
Natalie ſtand vor mir, da dieſes geſprochen wor¬
den war. Sie erſchien mir in dieſem Jahre vollkom¬
mener geworden, und war ſo außerordentlich ſchön,
wie ich nie in meinem ganzen Leben ein weibliches
Weſen geſehen habe.
Sie ſagte kein Wort zu mir, ſondern ſah mich
nur an. Ich war nicht im Stande, etwas aufzufin¬
den, was ich zur Bewillkommung hätte ſagen kön¬
nen. Ich verbeugte mich ſtumm, und ſie erwiederte
dieſe Verbeugung durch eine gleiche.
Hierauf gingen wir in das Haus.
Die Tage verfloſſen wie die in den vergangenen
Jahren. Nur eine einzige Ausnahme trat ein. Man
begann nach und nach von den Bildern zu ſprechen,
man ſprach von der Marmorgeſtalt, welche auf der
ſchönen Treppe des Hauſes ſtand, man ging öfter in
das Bilderzimmer, und beſah Verſchiedenes, und
man verweilte manche Augenblicke in der dämmerigen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/192>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.