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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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entgegnete ich, "ich bin mit diesen Gebirgen sehr wohl
bekannt, und verstehe mich auch auf die Wolken und
Gewitter derselben ein wenig."

"Ich bin aber mit dem Plaze, auf welchem wir
stehen, aller Wahrscheinlichkeit nach weit länger be¬
kannt als ihr mit dem Gebirge, da ich viel älter bin
als ihr," antwortete er, "ich kenne auch seine Wolken
und Gewitter, und weiß, daß heute auf dieses Haus
diesen Garten und diese Gegend kein Regen nieder¬
fallen wird."

"Wir wollen nicht lange darüber Meinungen
hegen, ob ein Gewitter dieses Haus nezen wird oder
nicht," sagte ich; "wenn ihr Anstand nehmet, mir dieses
Gitterthor zu öffnen, so habet die Güte, und ruft den
Herrn des Hauses herbei."

"Ich bin der Herr des Hauses."

Auf dieses Wort sah ich mir den Mann etwas
näher an. Sein Angesicht zeigte zwar auch auf ein
vorgerücktes Alter; aber es schien mir jünger als die
Haare, und gehörte überhaupt zu jenen freundlichen
wohlgefärbten nicht durch das Fett der vorgerückteren
Jahre entstellten Angesichtern, von denen man nie
weiß, wie alt sie sind. Hierauf sagte ich: "Nun muß
ich wohl um Verzeihung bitten, daß ich so zudringlich

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entgegnete ich, „ich bin mit dieſen Gebirgen ſehr wohl
bekannt, und verſtehe mich auch auf die Wolken und
Gewitter derſelben ein wenig.“

„Ich bin aber mit dem Plaze, auf welchem wir
ſtehen, aller Wahrſcheinlichkeit nach weit länger be¬
kannt als ihr mit dem Gebirge, da ich viel älter bin
als ihr,“ antwortete er, „ich kenne auch ſeine Wolken
und Gewitter, und weiß, daß heute auf dieſes Haus
dieſen Garten und dieſe Gegend kein Regen nieder¬
fallen wird.“

„Wir wollen nicht lange darüber Meinungen
hegen, ob ein Gewitter dieſes Haus nezen wird oder
nicht,“ ſagte ich; „wenn ihr Anſtand nehmet, mir dieſes
Gitterthor zu öffnen, ſo habet die Güte, und ruft den
Herrn des Hauſes herbei.“

„Ich bin der Herr des Hauſes.“

Auf dieſes Wort ſah ich mir den Mann etwas
näher an. Sein Angeſicht zeigte zwar auch auf ein
vorgerücktes Alter; aber es ſchien mir jünger als die
Haare, und gehörte überhaupt zu jenen freundlichen
wohlgefärbten nicht durch das Fett der vorgerückteren
Jahre entſtellten Angeſichtern, von denen man nie
weiß, wie alt ſie ſind. Hierauf ſagte ich: „Nun muß
ich wohl um Verzeihung bitten, daß ich ſo zudringlich

5 *
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[67/0081] entgegnete ich, „ich bin mit dieſen Gebirgen ſehr wohl bekannt, und verſtehe mich auch auf die Wolken und Gewitter derſelben ein wenig.“ „Ich bin aber mit dem Plaze, auf welchem wir ſtehen, aller Wahrſcheinlichkeit nach weit länger be¬ kannt als ihr mit dem Gebirge, da ich viel älter bin als ihr,“ antwortete er, „ich kenne auch ſeine Wolken und Gewitter, und weiß, daß heute auf dieſes Haus dieſen Garten und dieſe Gegend kein Regen nieder¬ fallen wird.“ „Wir wollen nicht lange darüber Meinungen hegen, ob ein Gewitter dieſes Haus nezen wird oder nicht,“ ſagte ich; „wenn ihr Anſtand nehmet, mir dieſes Gitterthor zu öffnen, ſo habet die Güte, und ruft den Herrn des Hauſes herbei.“ „Ich bin der Herr des Hauſes.“ Auf dieſes Wort ſah ich mir den Mann etwas näher an. Sein Angeſicht zeigte zwar auch auf ein vorgerücktes Alter; aber es ſchien mir jünger als die Haare, und gehörte überhaupt zu jenen freundlichen wohlgefärbten nicht durch das Fett der vorgerückteren Jahre entſtellten Angeſichtern, von denen man nie weiß, wie alt ſie ſind. Hierauf ſagte ich: „Nun muß ich wohl um Verzeihung bitten, daß ich ſo zudringlich 5 *

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/81>, abgerufen am 21.11.2024.