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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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Kirschen- und Weidenbäumen hervor sah. Es lag nur
ganz wenig abseits von der Straße. Näher waren
zwei Meierhöfe, deren jeder in einer mäßigen Entfer¬
nung von der Straße in Wiesen und Feldern prangte.
Auch war ein Haus auf einem Hügel, das weder ein
Bauerhaus noch irgend ein Wirthschaftsgebäude eines
Bürgers zu sein schien, sondern eher dem Landhause
eines Städters glich. Ich hatte schon früher wieder¬
holt, wenn ich durch die Gegend kam, das Haus be¬
trachtet, aber ich hatte mich nie näher um dasselbe
bekümmert. Jezt fiel es mir um so mehr auf, weil
es der nächste Unterkunftsplaz von meinem Standorte
aus war, und weil es mehr Bequemlichkeit als die
Meierhöfe zu geben versprach. Dazu gesellte sich ein
eigenthümlicher Reiz. Es war, da schon ein großer
Theil des Landes mit Ausnahme des Rohrberger
Kirchthurmes im Schatten lag, noch hell beleuchtet,
und sah mit einladendem schimmerndem Weiß in das
Grau und Blau der Landschaft hinaus.

Ich beschloß also, in diesem Hause eine Unter¬
kunft zu suchen.

Ich forschte dem zu Folge nach einem Wege, der
von der Straße auf den Hügel des Hauses hinauf¬
führen sollte. Nach meiner Kenntniß des Landesge¬

Kirſchen- und Weidenbäumen hervor ſah. Es lag nur
ganz wenig abſeits von der Straße. Näher waren
zwei Meierhöfe, deren jeder in einer mäßigen Entfer¬
nung von der Straße in Wieſen und Feldern prangte.
Auch war ein Haus auf einem Hügel, das weder ein
Bauerhaus noch irgend ein Wirthſchaftsgebäude eines
Bürgers zu ſein ſchien, ſondern eher dem Landhauſe
eines Städters glich. Ich hatte ſchon früher wieder¬
holt, wenn ich durch die Gegend kam, das Haus be¬
trachtet, aber ich hatte mich nie näher um dasſelbe
bekümmert. Jezt fiel es mir um ſo mehr auf, weil
es der nächſte Unterkunftsplaz von meinem Standorte
aus war, und weil es mehr Bequemlichkeit als die
Meierhöfe zu geben verſprach. Dazu geſellte ſich ein
eigenthümlicher Reiz. Es war, da ſchon ein großer
Theil des Landes mit Ausnahme des Rohrberger
Kirchthurmes im Schatten lag, noch hell beleuchtet,
und ſah mit einladendem ſchimmerndem Weiß in das
Grau und Blau der Landſchaft hinaus.

Ich beſchloß alſo, in dieſem Hauſe eine Unter¬
kunft zu ſuchen.

Ich forſchte dem zu Folge nach einem Wege, der
von der Straße auf den Hügel des Hauſes hinauf¬
führen ſollte. Nach meiner Kenntniß des Landesge¬

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[61/0075] Kirſchen- und Weidenbäumen hervor ſah. Es lag nur ganz wenig abſeits von der Straße. Näher waren zwei Meierhöfe, deren jeder in einer mäßigen Entfer¬ nung von der Straße in Wieſen und Feldern prangte. Auch war ein Haus auf einem Hügel, das weder ein Bauerhaus noch irgend ein Wirthſchaftsgebäude eines Bürgers zu ſein ſchien, ſondern eher dem Landhauſe eines Städters glich. Ich hatte ſchon früher wieder¬ holt, wenn ich durch die Gegend kam, das Haus be¬ trachtet, aber ich hatte mich nie näher um dasſelbe bekümmert. Jezt fiel es mir um ſo mehr auf, weil es der nächſte Unterkunftsplaz von meinem Standorte aus war, und weil es mehr Bequemlichkeit als die Meierhöfe zu geben verſprach. Dazu geſellte ſich ein eigenthümlicher Reiz. Es war, da ſchon ein großer Theil des Landes mit Ausnahme des Rohrberger Kirchthurmes im Schatten lag, noch hell beleuchtet, und ſah mit einladendem ſchimmerndem Weiß in das Grau und Blau der Landſchaft hinaus. Ich beſchloß alſo, in dieſem Hauſe eine Unter¬ kunft zu ſuchen. Ich forſchte dem zu Folge nach einem Wege, der von der Straße auf den Hügel des Hauſes hinauf¬ führen ſollte. Nach meiner Kenntniß des Landesge¬

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/75>, abgerufen am 21.11.2024.