Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

Dingen in einer Abtheilung beisammen zu sehen, die
in ihrem Baue nach meiner Meinung ganz verschieden
waren. Ich stellte daher nicht wissenschaftlich aber
zu meinem Gebrauche eine andere Eintheilung zu¬
sammen.

Einen besondern Zweck, den ich bei dem Besuche
des Gebirges befolgen wollte, hatte ich dieses erste
Mal nicht, außer was sich zufällig fand. Ich war nur
im Allgemeinen in das Gebirge gegangen, um es zu
sehen. Als daher dieser erste Drang etwas gesättigt
war, begab ich mich auf dem nächsten Wege in das
flache Land hinaus, und fuhr auf diesem wieder
nach Hause.

Allein der kommende Sommer lockte mich abermals
in das Gebirge. Hatte ich das erste Mal nur im
Allgemeinen geschaut, und waren die Eindrücke wir¬
kend auf mich heran gekommen, so ging ich jezt schon
mehr in das Einzelne, ich war meiner schon mehr
Herr, und richtete die Betrachtung auf besondere
Dinge. Viele von ihnen drängten sich an meine Seele.
Ich saß auf einem Steine, und sah die breiten Schatten¬
flächen und die scharfen oft gleichsam mit einem Messer
in sie geschnittenen Lichter. Ich dachte nach, weßhalb
die Schatten hier so blau seien und die Lichter so kräf¬

Stifter, Nachsommer. I. 4

Dingen in einer Abtheilung beiſammen zu ſehen, die
in ihrem Baue nach meiner Meinung ganz verſchieden
waren. Ich ſtellte daher nicht wiſſenſchaftlich aber
zu meinem Gebrauche eine andere Eintheilung zu¬
ſammen.

Einen beſondern Zweck, den ich bei dem Beſuche
des Gebirges befolgen wollte, hatte ich dieſes erſte
Mal nicht, außer was ſich zufällig fand. Ich war nur
im Allgemeinen in das Gebirge gegangen, um es zu
ſehen. Als daher dieſer erſte Drang etwas geſättigt
war, begab ich mich auf dem nächſten Wege in das
flache Land hinaus, und fuhr auf dieſem wieder
nach Hauſe.

Allein der kommende Sommer lockte mich abermals
in das Gebirge. Hatte ich das erſte Mal nur im
Allgemeinen geſchaut, und waren die Eindrücke wir¬
kend auf mich heran gekommen, ſo ging ich jezt ſchon
mehr in das Einzelne, ich war meiner ſchon mehr
Herr, und richtete die Betrachtung auf beſondere
Dinge. Viele von ihnen drängten ſich an meine Seele.
Ich ſaß auf einem Steine, und ſah die breiten Schatten¬
flächen und die ſcharfen oft gleichſam mit einem Meſſer
in ſie geſchnittenen Lichter. Ich dachte nach, weßhalb
die Schatten hier ſo blau ſeien und die Lichter ſo kräf¬

Stifter, Nachſommer. I. 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0063" n="49"/>
Dingen in einer Abtheilung bei&#x017F;ammen zu &#x017F;ehen, die<lb/>
in ihrem Baue nach meiner Meinung ganz ver&#x017F;chieden<lb/>
waren. Ich &#x017F;tellte daher nicht wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlich aber<lb/>
zu meinem Gebrauche eine andere Eintheilung zu¬<lb/>
&#x017F;ammen.</p><lb/>
        <p>Einen be&#x017F;ondern Zweck, den ich bei dem Be&#x017F;uche<lb/>
des Gebirges befolgen wollte, hatte ich die&#x017F;es er&#x017F;te<lb/>
Mal nicht, außer was &#x017F;ich zufällig fand. Ich war nur<lb/>
im Allgemeinen in das Gebirge gegangen, um es zu<lb/>
&#x017F;ehen. Als daher die&#x017F;er er&#x017F;te Drang etwas ge&#x017F;ättigt<lb/>
war, begab ich mich auf dem näch&#x017F;ten Wege in das<lb/>
flache Land hinaus, und fuhr auf die&#x017F;em wieder<lb/>
nach Hau&#x017F;e.</p><lb/>
        <p>Allein der kommende Sommer lockte mich abermals<lb/>
in das Gebirge. Hatte ich das er&#x017F;te Mal nur im<lb/>
Allgemeinen ge&#x017F;chaut, und waren die Eindrücke wir¬<lb/>
kend auf mich heran gekommen, &#x017F;o ging ich jezt &#x017F;chon<lb/>
mehr in das Einzelne, ich war meiner &#x017F;chon mehr<lb/>
Herr, und richtete die Betrachtung auf be&#x017F;ondere<lb/>
Dinge. Viele von ihnen drängten &#x017F;ich an meine Seele.<lb/>
Ich &#x017F;aß auf einem Steine, und &#x017F;ah die breiten Schatten¬<lb/>
flächen und die &#x017F;charfen oft gleich&#x017F;am mit einem Me&#x017F;&#x017F;er<lb/>
in &#x017F;ie ge&#x017F;chnittenen Lichter. Ich dachte nach, weßhalb<lb/>
die Schatten hier &#x017F;o blau &#x017F;eien und die Lichter &#x017F;o kräf¬<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Stifter</hi>, Nach&#x017F;ommer. <hi rendition="#aq">I</hi>. 4<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[49/0063] Dingen in einer Abtheilung beiſammen zu ſehen, die in ihrem Baue nach meiner Meinung ganz verſchieden waren. Ich ſtellte daher nicht wiſſenſchaftlich aber zu meinem Gebrauche eine andere Eintheilung zu¬ ſammen. Einen beſondern Zweck, den ich bei dem Beſuche des Gebirges befolgen wollte, hatte ich dieſes erſte Mal nicht, außer was ſich zufällig fand. Ich war nur im Allgemeinen in das Gebirge gegangen, um es zu ſehen. Als daher dieſer erſte Drang etwas geſättigt war, begab ich mich auf dem nächſten Wege in das flache Land hinaus, und fuhr auf dieſem wieder nach Hauſe. Allein der kommende Sommer lockte mich abermals in das Gebirge. Hatte ich das erſte Mal nur im Allgemeinen geſchaut, und waren die Eindrücke wir¬ kend auf mich heran gekommen, ſo ging ich jezt ſchon mehr in das Einzelne, ich war meiner ſchon mehr Herr, und richtete die Betrachtung auf beſondere Dinge. Viele von ihnen drängten ſich an meine Seele. Ich ſaß auf einem Steine, und ſah die breiten Schatten¬ flächen und die ſcharfen oft gleichſam mit einem Meſſer in ſie geſchnittenen Lichter. Ich dachte nach, weßhalb die Schatten hier ſo blau ſeien und die Lichter ſo kräf¬ Stifter, Nachſommer. I. 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/63
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/63>, abgerufen am 21.11.2024.