Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

Gebirges, die wie Jauchzen und wie Heulen von
Hunden klangen. Diese Laute kamen näher, waren
deutlich zu erkennen, und bald sprang ein Paar schöner
Hunde über den Bach, denen noch einige folgten.
Sie näherten sich mir. Als sie aber den fremden Mann
bei dem Wilde sahen, blieben einige in der Entfernung
stehen, und bellten heftig gegen mich, während andere
heulend weite Kreise um mich zogen, in ihnen dahin
flogen, und in Eilfertigkeit sich an Steinen überschlu¬
gen, und überstürzten. Nach geraumer Zeit kamen
auch Männer mit Schießgewehren. Als sich diese dem
Hirsche genähert hatten, und neben mir standen,
kamen auch die Hunde herzu, hatten vor mir keine
Scheu mehr, beschnupperten mich, und bewegten sich,
und zitterten um das Wild herum. Ich entfernte mich,
nachdem die Jäger auf dem Schauplaze erschienen wa¬
ren, sehr bald von ihm.

Bisher hatte ich keine Thiere zu meinen Bestre¬
bungen in der Naturgeschichte aufgesucht, obwohl ich
die Beschreibungen derselben eifrig gelesen und gelernt
hatte. Diese Vernachlässigung der leiblichen wirklichen
Gestalt war bei mir so weit gegangen, daß ich, selbst
da ich einen Theil des Sommers schon auf dem Lande
zubrachte, noch immer die Merkmale von Ziegen Scha¬

Gebirges, die wie Jauchzen und wie Heulen von
Hunden klangen. Dieſe Laute kamen näher, waren
deutlich zu erkennen, und bald ſprang ein Paar ſchöner
Hunde über den Bach, denen noch einige folgten.
Sie näherten ſich mir. Als ſie aber den fremden Mann
bei dem Wilde ſahen, blieben einige in der Entfernung
ſtehen, und bellten heftig gegen mich, während andere
heulend weite Kreiſe um mich zogen, in ihnen dahin
flogen, und in Eilfertigkeit ſich an Steinen überſchlu¬
gen, und überſtürzten. Nach geraumer Zeit kamen
auch Männer mit Schießgewehren. Als ſich dieſe dem
Hirſche genähert hatten, und neben mir ſtanden,
kamen auch die Hunde herzu, hatten vor mir keine
Scheu mehr, beſchnupperten mich, und bewegten ſich,
und zitterten um das Wild herum. Ich entfernte mich,
nachdem die Jäger auf dem Schauplaze erſchienen wa¬
ren, ſehr bald von ihm.

Bisher hatte ich keine Thiere zu meinen Beſtre¬
bungen in der Naturgeſchichte aufgeſucht, obwohl ich
die Beſchreibungen derſelben eifrig geleſen und gelernt
hatte. Dieſe Vernachläſſigung der leiblichen wirklichen
Geſtalt war bei mir ſo weit gegangen, daß ich, ſelbſt
da ich einen Theil des Sommers ſchon auf dem Lande
zubrachte, noch immer die Merkmale von Ziegen Scha¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0061" n="47"/>
Gebirges, die wie Jauchzen und wie Heulen von<lb/>
Hunden klangen. Die&#x017F;e Laute kamen näher, waren<lb/>
deutlich zu erkennen, und bald &#x017F;prang ein Paar &#x017F;chöner<lb/>
Hunde über den Bach, denen noch einige folgten.<lb/>
Sie näherten &#x017F;ich mir. Als &#x017F;ie aber den fremden Mann<lb/>
bei dem Wilde &#x017F;ahen, blieben einige in der Entfernung<lb/>
&#x017F;tehen, und bellten heftig gegen mich, während andere<lb/>
heulend weite Krei&#x017F;e um mich zogen, in ihnen dahin<lb/>
flogen, und in Eilfertigkeit &#x017F;ich an Steinen über&#x017F;chlu¬<lb/>
gen, und über&#x017F;türzten. Nach geraumer Zeit kamen<lb/>
auch Männer mit Schießgewehren. Als &#x017F;ich die&#x017F;e dem<lb/>
Hir&#x017F;che genähert hatten, und neben mir &#x017F;tanden,<lb/>
kamen auch die Hunde herzu, hatten vor mir keine<lb/>
Scheu mehr, be&#x017F;chnupperten mich, und bewegten &#x017F;ich,<lb/>
und zitterten um das Wild herum. Ich entfernte mich,<lb/>
nachdem die Jäger auf dem Schauplaze er&#x017F;chienen wa¬<lb/>
ren, &#x017F;ehr bald von ihm.</p><lb/>
        <p>Bisher hatte ich keine Thiere zu meinen Be&#x017F;tre¬<lb/>
bungen in der Naturge&#x017F;chichte aufge&#x017F;ucht, obwohl ich<lb/>
die Be&#x017F;chreibungen der&#x017F;elben eifrig gele&#x017F;en und gelernt<lb/>
hatte. Die&#x017F;e Vernachlä&#x017F;&#x017F;igung der leiblichen wirklichen<lb/>
Ge&#x017F;talt war bei mir &#x017F;o weit gegangen, daß ich, &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
da ich einen Theil des Sommers &#x017F;chon auf dem Lande<lb/>
zubrachte, noch immer die Merkmale von Ziegen Scha¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[47/0061] Gebirges, die wie Jauchzen und wie Heulen von Hunden klangen. Dieſe Laute kamen näher, waren deutlich zu erkennen, und bald ſprang ein Paar ſchöner Hunde über den Bach, denen noch einige folgten. Sie näherten ſich mir. Als ſie aber den fremden Mann bei dem Wilde ſahen, blieben einige in der Entfernung ſtehen, und bellten heftig gegen mich, während andere heulend weite Kreiſe um mich zogen, in ihnen dahin flogen, und in Eilfertigkeit ſich an Steinen überſchlu¬ gen, und überſtürzten. Nach geraumer Zeit kamen auch Männer mit Schießgewehren. Als ſich dieſe dem Hirſche genähert hatten, und neben mir ſtanden, kamen auch die Hunde herzu, hatten vor mir keine Scheu mehr, beſchnupperten mich, und bewegten ſich, und zitterten um das Wild herum. Ich entfernte mich, nachdem die Jäger auf dem Schauplaze erſchienen wa¬ ren, ſehr bald von ihm. Bisher hatte ich keine Thiere zu meinen Beſtre¬ bungen in der Naturgeſchichte aufgeſucht, obwohl ich die Beſchreibungen derſelben eifrig geleſen und gelernt hatte. Dieſe Vernachläſſigung der leiblichen wirklichen Geſtalt war bei mir ſo weit gegangen, daß ich, ſelbſt da ich einen Theil des Sommers ſchon auf dem Lande zubrachte, noch immer die Merkmale von Ziegen Scha¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/61
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/61>, abgerufen am 21.11.2024.