borgen waren, und nicht selten im Laubwerk Gras oder Gestrippe spurlos endeten. Ich durchwanderte oft auch ohne Pfad Wiesen Wald und sonstige Land¬ flächen, um die Gegenstände zu finden, welche ich suchte. Daß wenige von unseren Stadtbewohnern auf solche Wege kommen, ist begreiflich, da sie nur kurze Zeit zu dem Genusse des Landlebens sich gönnen können, und in derselben auf den breiten herkömm¬ lichen Straßen des Landvergnügens bleiben, und von anderen Pfaden nichts wissen. An der Mittagseite war das ganze Hügelland viele Meilen lang von Hochgebirge gesäumt. Auf einer Stelle der Basteien unserer Stadt kann man zwischen Häusern und Bäu¬ men ein Fleckchen Blau von diesem Gebirge sehen. Ich ging oft auf jener Bastei, sah oft dieses kleine blaue Fleckchen, und dachte nichts weiter, als: das ist das Gebirge. Selbst da ich von dem Hause meines ersten Sommeraufenthaltes einen Theil des Hochge¬ birges erblickte, achtete ich nicht weiter darauf. Jezt sah ich zuweilen mit Vergnügen von einer Anhöhe oder von dem Gipfel eines Hügels ganze Strecken der blauen Kette, welche in immer undeutlicheren Gliedern ferner und ferner dahin lief. Oft, wenn ich durch wildes Gestrippe plözlich auf einen freien Abriß
borgen waren, und nicht ſelten im Laubwerk Gras oder Geſtrippe ſpurlos endeten. Ich durchwanderte oft auch ohne Pfad Wieſen Wald und ſonſtige Land¬ flächen, um die Gegenſtände zu finden, welche ich ſuchte. Daß wenige von unſeren Stadtbewohnern auf ſolche Wege kommen, iſt begreiflich, da ſie nur kurze Zeit zu dem Genuſſe des Landlebens ſich gönnen können, und in derſelben auf den breiten herkömm¬ lichen Straßen des Landvergnügens bleiben, und von anderen Pfaden nichts wiſſen. An der Mittagſeite war das ganze Hügelland viele Meilen lang von Hochgebirge geſäumt. Auf einer Stelle der Baſteien unſerer Stadt kann man zwiſchen Häuſern und Bäu¬ men ein Fleckchen Blau von dieſem Gebirge ſehen. Ich ging oft auf jener Baſtei, ſah oft dieſes kleine blaue Fleckchen, und dachte nichts weiter, als: das iſt das Gebirge. Selbſt da ich von dem Hauſe meines erſten Sommeraufenthaltes einen Theil des Hochge¬ birges erblickte, achtete ich nicht weiter darauf. Jezt ſah ich zuweilen mit Vergnügen von einer Anhöhe oder von dem Gipfel eines Hügels ganze Strecken der blauen Kette, welche in immer undeutlicheren Gliedern ferner und ferner dahin lief. Oft, wenn ich durch wildes Geſtrippe plözlich auf einen freien Abriß
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borgen waren, und nicht ſelten im Laubwerk Gras
oder Geſtrippe ſpurlos endeten. Ich durchwanderte
oft auch ohne Pfad Wieſen Wald und ſonſtige Land¬
flächen, um die Gegenſtände zu finden, welche ich
ſuchte. Daß wenige von unſeren Stadtbewohnern auf
ſolche Wege kommen, iſt begreiflich, da ſie nur kurze
Zeit zu dem Genuſſe des Landlebens ſich gönnen
können, und in derſelben auf den breiten herkömm¬
lichen Straßen des Landvergnügens bleiben, und von
anderen Pfaden nichts wiſſen. An der Mittagſeite
war das ganze Hügelland viele Meilen lang von
Hochgebirge geſäumt. Auf einer Stelle der Baſteien
unſerer Stadt kann man zwiſchen Häuſern und Bäu¬
men ein Fleckchen Blau von dieſem Gebirge ſehen.
Ich ging oft auf jener Baſtei, ſah oft dieſes kleine
blaue Fleckchen, und dachte nichts weiter, als: das iſt
das Gebirge. Selbſt da ich von dem Hauſe meines
erſten Sommeraufenthaltes einen Theil des Hochge¬
birges erblickte, achtete ich nicht weiter darauf. Jezt
ſah ich zuweilen mit Vergnügen von einer Anhöhe
oder von dem Gipfel eines Hügels ganze Strecken
der blauen Kette, welche in immer undeutlicheren
Gliedern ferner und ferner dahin lief. Oft, wenn ich
durch wildes Geſtrippe plözlich auf einen freien Abriß
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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/55>, abgerufen am 24.11.2024.
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