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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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"Das ist sehr sonderbar und sehr merkwürdig,"
sagte er; "nun wenn ihr vergessen habt, den Cereus
peruvianus anzusehen, so müßt ihr einmal mit mir
hinübergehen; wir brauchen nicht zwei Stunden, und
es ist ein angenehmer Weg. So etwas seht ihr nicht
leicht anders wo. Sie bringen ihn nie zur Blüthe.
Wenn ich ihn hier hätte, so würde er bald so weiß
wie meine Haare blühen, natürlich viel weißer. Die
unseren sind noch viel zu klein zum Blühen."

Ich sagte ihm zu, daß ich einmal mit ihm in den
Inghof hinübergehen werde, ja sogar, wenn es nicht
eine Unschicklichkeit sei, und nicht zu große Hinder¬
nisse im Wege stehen, daß ich auch versuchen werde,
dahin zu wirken, daß diese Pflanze zu ihm herüber¬
komme.

Er war sehr erfreut darüber, und sagte, die Hin¬
dernisse seien gar nicht groß, sie achten den Cereus
nicht, sonst hätten sie ja die Gesellschaft zu ihm hin¬
geführt, und der Herr wolle sich vielleicht keine Ver¬
bindlichkeit gegen den Nachbar auflegen. Wenn ich
aber eine Fürsprache mache, so würde der Cereus ge¬
wiß herüber kommen.

Wie doch der Mensch überall seine eigenen Ange¬
legenheiten mit sich herum führt, dachte ich, und wie

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„Das iſt ſehr ſonderbar und ſehr merkwürdig,“
ſagte er; „nun wenn ihr vergeſſen habt, den Cereus
peruvianus anzuſehen, ſo müßt ihr einmal mit mir
hinübergehen; wir brauchen nicht zwei Stunden, und
es iſt ein angenehmer Weg. So etwas ſeht ihr nicht
leicht anders wo. Sie bringen ihn nie zur Blüthe.
Wenn ich ihn hier hätte, ſo würde er bald ſo weiß
wie meine Haare blühen, natürlich viel weißer. Die
unſeren ſind noch viel zu klein zum Blühen.“

Ich ſagte ihm zu, daß ich einmal mit ihm in den
Inghof hinübergehen werde, ja ſogar, wenn es nicht
eine Unſchicklichkeit ſei, und nicht zu große Hinder¬
niſſe im Wege ſtehen, daß ich auch verſuchen werde,
dahin zu wirken, daß dieſe Pflanze zu ihm herüber¬
komme.

Er war ſehr erfreut darüber, und ſagte, die Hin¬
derniſſe ſeien gar nicht groß, ſie achten den Cereus
nicht, ſonſt hätten ſie ja die Geſellſchaft zu ihm hin¬
geführt, und der Herr wolle ſich vielleicht keine Ver¬
bindlichkeit gegen den Nachbar auflegen. Wenn ich
aber eine Fürſprache mache, ſo würde der Cereus ge¬
wiß herüber kommen.

Wie doch der Menſch überall ſeine eigenen Ange¬
legenheiten mit ſich herum führt, dachte ich, und wie

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[435/0449] „Das iſt ſehr ſonderbar und ſehr merkwürdig,“ ſagte er; „nun wenn ihr vergeſſen habt, den Cereus peruvianus anzuſehen, ſo müßt ihr einmal mit mir hinübergehen; wir brauchen nicht zwei Stunden, und es iſt ein angenehmer Weg. So etwas ſeht ihr nicht leicht anders wo. Sie bringen ihn nie zur Blüthe. Wenn ich ihn hier hätte, ſo würde er bald ſo weiß wie meine Haare blühen, natürlich viel weißer. Die unſeren ſind noch viel zu klein zum Blühen.“ Ich ſagte ihm zu, daß ich einmal mit ihm in den Inghof hinübergehen werde, ja ſogar, wenn es nicht eine Unſchicklichkeit ſei, und nicht zu große Hinder¬ niſſe im Wege ſtehen, daß ich auch verſuchen werde, dahin zu wirken, daß dieſe Pflanze zu ihm herüber¬ komme. Er war ſehr erfreut darüber, und ſagte, die Hin¬ derniſſe ſeien gar nicht groß, ſie achten den Cereus nicht, ſonſt hätten ſie ja die Geſellſchaft zu ihm hin¬ geführt, und der Herr wolle ſich vielleicht keine Ver¬ bindlichkeit gegen den Nachbar auflegen. Wenn ich aber eine Fürſprache mache, ſo würde der Cereus ge¬ wiß herüber kommen. Wie doch der Menſch überall ſeine eigenen Ange¬ legenheiten mit ſich herum führt, dachte ich, und wie 28 *

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/449>, abgerufen am 22.11.2024.