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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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Scheuern trafen wir den Gemüsegarten und den sehr
weitläufigen Obstgarten an. Von diesen gingen wir
in die wohlbestellten Felder und in die Wiesen. Der
Wald, welcher zu der Besizung gehört, wurde mir in
der Ferne gezeigt.

Nachdem wir unsern ziemlich bedeutenden Spa¬
ziergang beendigt hatten, wurden wir in eine eben¬
erdige große Speisehalle geführt, in welcher der Mit¬
tagtisch gedeckt war. Ein einfaches aber ausgesuchtes
Mahl wurde aufgetragen, wobei die Dienerschaft
hinter unseren Stühlen stehend bediente. Hatte sich
die Familie Ingheim schon bei dem Besuche auf dem
Rosenhause als unter die gebildeten gehörig gezeigt,
so war dies bei unserem Empfange in ihrem eigenen
Hause wieder der Fall. Sowohl bei Vater und Mut¬
ter als auch bei den Mädchen war Einfachheit Ruhe
und Bescheidenheit. Die Gespräche bewegten sich um
mehrere Gegenstände, sie rissen sich nicht einseitig nach
einer gewissen Richtung hin, sondern schmiegten sich
mit Maß der Gesellschaft an. Einen Theil der Zeit
nach dem Mittagessen brachten wir in den Zimmern
des ersten Stockwerkes zu. Es wurde Musik gemacht,
und zwar Clavier und Gesang. Zuerst spielte die
Mutter etwas, dann beide Mädchen allein, dann zu¬

Scheuern trafen wir den Gemüſegarten und den ſehr
weitläufigen Obſtgarten an. Von dieſen gingen wir
in die wohlbeſtellten Felder und in die Wieſen. Der
Wald, welcher zu der Beſizung gehört, wurde mir in
der Ferne gezeigt.

Nachdem wir unſern ziemlich bedeutenden Spa¬
ziergang beendigt hatten, wurden wir in eine eben¬
erdige große Speiſehalle geführt, in welcher der Mit¬
tagtiſch gedeckt war. Ein einfaches aber ausgeſuchtes
Mahl wurde aufgetragen, wobei die Dienerſchaft
hinter unſeren Stühlen ſtehend bediente. Hatte ſich
die Familie Ingheim ſchon bei dem Beſuche auf dem
Roſenhauſe als unter die gebildeten gehörig gezeigt,
ſo war dies bei unſerem Empfange in ihrem eigenen
Hauſe wieder der Fall. Sowohl bei Vater und Mut¬
ter als auch bei den Mädchen war Einfachheit Ruhe
und Beſcheidenheit. Die Geſpräche bewegten ſich um
mehrere Gegenſtände, ſie riſſen ſich nicht einſeitig nach
einer gewiſſen Richtung hin, ſondern ſchmiegten ſich
mit Maß der Geſellſchaft an. Einen Theil der Zeit
nach dem Mittageſſen brachten wir in den Zimmern
des erſten Stockwerkes zu. Es wurde Muſik gemacht,
und zwar Clavier und Geſang. Zuerſt ſpielte die
Mutter etwas, dann beide Mädchen allein, dann zu¬

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[426/0440] Scheuern trafen wir den Gemüſegarten und den ſehr weitläufigen Obſtgarten an. Von dieſen gingen wir in die wohlbeſtellten Felder und in die Wieſen. Der Wald, welcher zu der Beſizung gehört, wurde mir in der Ferne gezeigt. Nachdem wir unſern ziemlich bedeutenden Spa¬ ziergang beendigt hatten, wurden wir in eine eben¬ erdige große Speiſehalle geführt, in welcher der Mit¬ tagtiſch gedeckt war. Ein einfaches aber ausgeſuchtes Mahl wurde aufgetragen, wobei die Dienerſchaft hinter unſeren Stühlen ſtehend bediente. Hatte ſich die Familie Ingheim ſchon bei dem Beſuche auf dem Roſenhauſe als unter die gebildeten gehörig gezeigt, ſo war dies bei unſerem Empfange in ihrem eigenen Hauſe wieder der Fall. Sowohl bei Vater und Mut¬ ter als auch bei den Mädchen war Einfachheit Ruhe und Beſcheidenheit. Die Geſpräche bewegten ſich um mehrere Gegenſtände, ſie riſſen ſich nicht einſeitig nach einer gewiſſen Richtung hin, ſondern ſchmiegten ſich mit Maß der Geſellſchaft an. Einen Theil der Zeit nach dem Mittageſſen brachten wir in den Zimmern des erſten Stockwerkes zu. Es wurde Muſik gemacht, und zwar Clavier und Geſang. Zuerſt ſpielte die Mutter etwas, dann beide Mädchen allein, dann zu¬

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/440>, abgerufen am 22.11.2024.