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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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saale. Der Fremde und seine Begleiterinnen hatten
sich umgekleidet, der Mann erschien sogar im schwar¬
zen Fracke, die Frauen hatten einen Anzug, wie man
ihn in der Stadt bei nicht festlichen aber freund¬
schaftlichen Besuchen hat. Wir waren in unseren ge¬
wöhnlichen Kleidern. Aber gerade durch den Anzug
der Fremden, an dem sachgemäß nichts zu tadeln
war, was ich recht gut beurtheilen konnte, weil ich
solche Gewänder an meiner Mutter und Schwester
oft sah, und auch oft Urtheile darüber hörte, wurden
unsere Kleider nicht in den Schatten gestellt, sondern
sie thaten eher denen der Fremden wenigstens in mei¬
nen Augen Abbruch. Der gepuzte Anzug erschien mir
auffallend und unnatürlich, während der andere ein¬
fach und zweckmäßig war. Es gewann den Anschein,
als ob Mathilde Natalie mein alter Gastfreund und
selbst Gustav bedeutende Menschen wären, indeß jene
einige aus der großen Menge darstellten, wie sie sich
überall befinden.

Ich betrachtete während der Zeit des Essens und
nachher, da wir uns noch eine Weile in dem Speise¬
zimmer aufhielten, sogar auch die Schönheit der
Mädchen. Die ältere von den beiden Töchtern der
Fremden -- wenigstens mir erschien sie als die ältere

ſaale. Der Fremde und ſeine Begleiterinnen hatten
ſich umgekleidet, der Mann erſchien ſogar im ſchwar¬
zen Fracke, die Frauen hatten einen Anzug, wie man
ihn in der Stadt bei nicht feſtlichen aber freund¬
ſchaftlichen Beſuchen hat. Wir waren in unſeren ge¬
wöhnlichen Kleidern. Aber gerade durch den Anzug
der Fremden, an dem ſachgemäß nichts zu tadeln
war, was ich recht gut beurtheilen konnte, weil ich
ſolche Gewänder an meiner Mutter und Schweſter
oft ſah, und auch oft Urtheile darüber hörte, wurden
unſere Kleider nicht in den Schatten geſtellt, ſondern
ſie thaten eher denen der Fremden wenigſtens in mei¬
nen Augen Abbruch. Der gepuzte Anzug erſchien mir
auffallend und unnatürlich, während der andere ein¬
fach und zweckmäßig war. Es gewann den Anſchein,
als ob Mathilde Natalie mein alter Gaſtfreund und
ſelbſt Guſtav bedeutende Menſchen wären, indeß jene
einige aus der großen Menge darſtellten, wie ſie ſich
überall befinden.

Ich betrachtete während der Zeit des Eſſens und
nachher, da wir uns noch eine Weile in dem Speiſe¬
zimmer aufhielten, ſogar auch die Schönheit der
Mädchen. Die ältere von den beiden Töchtern der
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[406/0420] ſaale. Der Fremde und ſeine Begleiterinnen hatten ſich umgekleidet, der Mann erſchien ſogar im ſchwar¬ zen Fracke, die Frauen hatten einen Anzug, wie man ihn in der Stadt bei nicht feſtlichen aber freund¬ ſchaftlichen Beſuchen hat. Wir waren in unſeren ge¬ wöhnlichen Kleidern. Aber gerade durch den Anzug der Fremden, an dem ſachgemäß nichts zu tadeln war, was ich recht gut beurtheilen konnte, weil ich ſolche Gewänder an meiner Mutter und Schweſter oft ſah, und auch oft Urtheile darüber hörte, wurden unſere Kleider nicht in den Schatten geſtellt, ſondern ſie thaten eher denen der Fremden wenigſtens in mei¬ nen Augen Abbruch. Der gepuzte Anzug erſchien mir auffallend und unnatürlich, während der andere ein¬ fach und zweckmäßig war. Es gewann den Anſchein, als ob Mathilde Natalie mein alter Gaſtfreund und ſelbſt Guſtav bedeutende Menſchen wären, indeß jene einige aus der großen Menge darſtellten, wie ſie ſich überall befinden. Ich betrachtete während der Zeit des Eſſens und nachher, da wir uns noch eine Weile in dem Speiſe¬ zimmer aufhielten, ſogar auch die Schönheit der Mädchen. Die ältere von den beiden Töchtern der Fremden — wenigſtens mir erſchien ſie als die ältere

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/420>, abgerufen am 22.11.2024.