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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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es mußte manchmal eine Leiter herbei, um irgend et¬
was Störendes oder Unvollkommenes zu entfernen.

Die Mittage waren lieb und angenehm. Auch
das, daß Mathilde und Natalie so fein und passend
wenn auch einfach angezogen waren, wie ich es von
meiner Mutter und Schwester gewohnt war, gab dem
Mahle einen gewissen Glanz, den ich früher vermißt
hatte. Die Vorhänge waren gegen die unmittelbare
Sonne jederzeit zu, und es war eine gebrochene und
sanfte Helle in dem Zimmer.

Die Abende nach dem Abendessen brachten wir
immer im Freien zu, da noch lauter schöne Täge ge¬
wesen waren. Meistens saßen wir bei dem großen
Kirschbaume oben, welches bei weitem der schönste
Plaz zu einem Abendsize war, obgleich er auch zu
jeder andern Zeit, wenn die Hize nicht zu groß
war, mit der größten Annehmlichkeit erfüllte. Mein
Gastfreund führte die Gespräche klar und warm,
und Mathilde konnte ihm entsprechend antworten.
Sie wurden mit einer Milde und Einsicht geführt, daß
sie immer an sich zogen, daß ich gerne meine Aufmerk¬
samkeit hin richtete, und, wenn sie auch Gewöhnliches
betrafen, etwas Neues und Eindringendes zu hören
glaubte. Der alte Mann führte dann die Frau im

es mußte manchmal eine Leiter herbei, um irgend et¬
was Störendes oder Unvollkommenes zu entfernen.

Die Mittage waren lieb und angenehm. Auch
das, daß Mathilde und Natalie ſo fein und paſſend
wenn auch einfach angezogen waren, wie ich es von
meiner Mutter und Schweſter gewohnt war, gab dem
Mahle einen gewiſſen Glanz, den ich früher vermißt
hatte. Die Vorhänge waren gegen die unmittelbare
Sonne jederzeit zu, und es war eine gebrochene und
ſanfte Helle in dem Zimmer.

Die Abende nach dem Abendeſſen brachten wir
immer im Freien zu, da noch lauter ſchöne Täge ge¬
weſen waren. Meiſtens ſaßen wir bei dem großen
Kirſchbaume oben, welches bei weitem der ſchönſte
Plaz zu einem Abendſize war, obgleich er auch zu
jeder andern Zeit, wenn die Hize nicht zu groß
war, mit der größten Annehmlichkeit erfüllte. Mein
Gaſtfreund führte die Geſpräche klar und warm,
und Mathilde konnte ihm entſprechend antworten.
Sie wurden mit einer Milde und Einſicht geführt, daß
ſie immer an ſich zogen, daß ich gerne meine Aufmerk¬
ſamkeit hin richtete, und, wenn ſie auch Gewöhnliches
betrafen, etwas Neues und Eindringendes zu hören
glaubte. Der alte Mann führte dann die Frau im

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[400/0414] es mußte manchmal eine Leiter herbei, um irgend et¬ was Störendes oder Unvollkommenes zu entfernen. Die Mittage waren lieb und angenehm. Auch das, daß Mathilde und Natalie ſo fein und paſſend wenn auch einfach angezogen waren, wie ich es von meiner Mutter und Schweſter gewohnt war, gab dem Mahle einen gewiſſen Glanz, den ich früher vermißt hatte. Die Vorhänge waren gegen die unmittelbare Sonne jederzeit zu, und es war eine gebrochene und ſanfte Helle in dem Zimmer. Die Abende nach dem Abendeſſen brachten wir immer im Freien zu, da noch lauter ſchöne Täge ge¬ weſen waren. Meiſtens ſaßen wir bei dem großen Kirſchbaume oben, welches bei weitem der ſchönſte Plaz zu einem Abendſize war, obgleich er auch zu jeder andern Zeit, wenn die Hize nicht zu groß war, mit der größten Annehmlichkeit erfüllte. Mein Gaſtfreund führte die Geſpräche klar und warm, und Mathilde konnte ihm entſprechend antworten. Sie wurden mit einer Milde und Einſicht geführt, daß ſie immer an ſich zogen, daß ich gerne meine Aufmerk¬ ſamkeit hin richtete, und, wenn ſie auch Gewöhnliches betrafen, etwas Neues und Eindringendes zu hören glaubte. Der alte Mann führte dann die Frau im

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/414>, abgerufen am 22.11.2024.