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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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Gustav zu. Die Geschwister mußten sich außerordent¬
lich lieben. Er zeigte ihr alle seine Bücher, nament¬
lich, die neu zu den alten hinzu gekommen waren, er
erklärte ihr, was er jezt lerne, und suchte sie in das¬
selbe einzuweihen, wenn sie es auch schon wußte, und
früher die nehmlichen Wege gegangen war. Wenn
es die Umstände mit sich brachten, schweiften sie in
dem Garten herum, und freuten sich all des Lebens,
was in demselben war, und freuten sich des gegen¬
seitigen Lebens, das sich an einander schmiegte, und
dessen sie sich kaum als eines gesonderten bewußt wur¬
den. Die Zeit, welche alle frei hatten, brachten wir
häufig gemeinschaftlich mit einander zu. Wir gingen
in den Garten, oder sassen unter einem schattigen
Baume, oder machten einen Spaziergang, oder wa¬
ren in dem Meierhofe. Ich vermochte nicht, in die
Gespräche so einzugehen, wie ich es mit meinem Gast¬
freunde allein that, und wenn auch Mathilde recht
freundlich mit mir sprach, so wurde ich fast immer
noch stummer.

Die Rosen fingen an, sich stets mehr zu ent¬
wickeln, sehr viele waren bereits aufgeblüht und
stündlich öffneten andere den sanften Kelch. Wir gin¬
gen sehr oft hinaus, und betrachteten die Zierde, und

Guſtav zu. Die Geſchwiſter mußten ſich außerordent¬
lich lieben. Er zeigte ihr alle ſeine Bücher, nament¬
lich, die neu zu den alten hinzu gekommen waren, er
erklärte ihr, was er jezt lerne, und ſuchte ſie in das¬
ſelbe einzuweihen, wenn ſie es auch ſchon wußte, und
früher die nehmlichen Wege gegangen war. Wenn
es die Umſtände mit ſich brachten, ſchweiften ſie in
dem Garten herum, und freuten ſich all des Lebens,
was in demſelben war, und freuten ſich des gegen¬
ſeitigen Lebens, das ſich an einander ſchmiegte, und
deſſen ſie ſich kaum als eines geſonderten bewußt wur¬
den. Die Zeit, welche alle frei hatten, brachten wir
häufig gemeinſchaftlich mit einander zu. Wir gingen
in den Garten, oder ſaſſen unter einem ſchattigen
Baume, oder machten einen Spaziergang, oder wa¬
ren in dem Meierhofe. Ich vermochte nicht, in die
Geſpräche ſo einzugehen, wie ich es mit meinem Gaſt¬
freunde allein that, und wenn auch Mathilde recht
freundlich mit mir ſprach, ſo wurde ich faſt immer
noch ſtummer.

Die Roſen fingen an, ſich ſtets mehr zu ent¬
wickeln, ſehr viele waren bereits aufgeblüht und
ſtündlich öffneten andere den ſanften Kelch. Wir gin¬
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[399/0413] Guſtav zu. Die Geſchwiſter mußten ſich außerordent¬ lich lieben. Er zeigte ihr alle ſeine Bücher, nament¬ lich, die neu zu den alten hinzu gekommen waren, er erklärte ihr, was er jezt lerne, und ſuchte ſie in das¬ ſelbe einzuweihen, wenn ſie es auch ſchon wußte, und früher die nehmlichen Wege gegangen war. Wenn es die Umſtände mit ſich brachten, ſchweiften ſie in dem Garten herum, und freuten ſich all des Lebens, was in demſelben war, und freuten ſich des gegen¬ ſeitigen Lebens, das ſich an einander ſchmiegte, und deſſen ſie ſich kaum als eines geſonderten bewußt wur¬ den. Die Zeit, welche alle frei hatten, brachten wir häufig gemeinſchaftlich mit einander zu. Wir gingen in den Garten, oder ſaſſen unter einem ſchattigen Baume, oder machten einen Spaziergang, oder wa¬ ren in dem Meierhofe. Ich vermochte nicht, in die Geſpräche ſo einzugehen, wie ich es mit meinem Gaſt¬ freunde allein that, und wenn auch Mathilde recht freundlich mit mir ſprach, ſo wurde ich faſt immer noch ſtummer. Die Roſen fingen an, ſich ſtets mehr zu ent¬ wickeln, ſehr viele waren bereits aufgeblüht und ſtündlich öffneten andere den ſanften Kelch. Wir gin¬ gen ſehr oft hinaus, und betrachteten die Zierde, und

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/413>, abgerufen am 22.11.2024.