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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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eine anmuthige Wärme das Zimmer erfüllte, da von
dem Wiederscheine der ganz schief die Fenster treffen¬
den Morgensonne das Messing das Glas und das
Holz der verschiedenartigen Werkzeuge erglänzte, sagte
ich zu meinem alten Gastfreunde: "Es ist seltsam, da
ich von eurer Besizung in die Stadt und ihre Bestre¬
bungen kam, lag mir euer Wesen hier wie ein Mär¬
chen in der Erinnerung, und nun, da ich hier bin und
das Ruhige vor mir sehe, ist mir dieses Wesen wieder
wirklich und das Stadtleben ein Märchen. Großes ist
mir klein, Kleines ist mir groß."

"Es gehört wohl beides und alles zu dem Gan¬
zen, daß sich das Leben erfülle und beglücke," antwor¬
tete er. "Weil die Menschen nur ein Einziges wollen
und preisen, weil sie, um sich zu sättigen, sich in das
Einseitige stürzen, machen sie sich unglücklich. Wenn
wir nur in uns selber in Ordnung wären, dann wür¬
den wir viel mehr Freude an den Dingen dieser Erde
haben. Aber wenn ein Übermaß von Wünschen und
Begehrungen in uns ist, so hören wir nur diese im¬
mer an, und vermögen nicht die Unschuld der Dinge
außer uns zu fassen. Leider heißen wir sie wichtig,
wenn sie Gegenstände unserer Leidenschaften sind, und

Stifter, Nachsommer. I. 22

eine anmuthige Wärme das Zimmer erfüllte, da von
dem Wiederſcheine der ganz ſchief die Fenſter treffen¬
den Morgenſonne das Meſſing das Glas und das
Holz der verſchiedenartigen Werkzeuge erglänzte, ſagte
ich zu meinem alten Gaſtfreunde: „Es iſt ſeltſam, da
ich von eurer Beſizung in die Stadt und ihre Beſtre¬
bungen kam, lag mir euer Weſen hier wie ein Mär¬
chen in der Erinnerung, und nun, da ich hier bin und
das Ruhige vor mir ſehe, iſt mir dieſes Weſen wieder
wirklich und das Stadtleben ein Märchen. Großes iſt
mir klein, Kleines iſt mir groß.“

„Es gehört wohl beides und alles zu dem Gan¬
zen, daß ſich das Leben erfülle und beglücke,“ antwor¬
tete er. „Weil die Menſchen nur ein Einziges wollen
und preiſen, weil ſie, um ſich zu ſättigen, ſich in das
Einſeitige ſtürzen, machen ſie ſich unglücklich. Wenn
wir nur in uns ſelber in Ordnung wären, dann wür¬
den wir viel mehr Freude an den Dingen dieſer Erde
haben. Aber wenn ein Übermaß von Wünſchen und
Begehrungen in uns iſt, ſo hören wir nur dieſe im¬
mer an, und vermögen nicht die Unſchuld der Dinge
außer uns zu faſſen. Leider heißen wir ſie wichtig,
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Stifter, Nachſommer. I. 22
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[337/0351] eine anmuthige Wärme das Zimmer erfüllte, da von dem Wiederſcheine der ganz ſchief die Fenſter treffen¬ den Morgenſonne das Meſſing das Glas und das Holz der verſchiedenartigen Werkzeuge erglänzte, ſagte ich zu meinem alten Gaſtfreunde: „Es iſt ſeltſam, da ich von eurer Beſizung in die Stadt und ihre Beſtre¬ bungen kam, lag mir euer Weſen hier wie ein Mär¬ chen in der Erinnerung, und nun, da ich hier bin und das Ruhige vor mir ſehe, iſt mir dieſes Weſen wieder wirklich und das Stadtleben ein Märchen. Großes iſt mir klein, Kleines iſt mir groß.“ „Es gehört wohl beides und alles zu dem Gan¬ zen, daß ſich das Leben erfülle und beglücke,“ antwor¬ tete er. „Weil die Menſchen nur ein Einziges wollen und preiſen, weil ſie, um ſich zu ſättigen, ſich in das Einſeitige ſtürzen, machen ſie ſich unglücklich. Wenn wir nur in uns ſelber in Ordnung wären, dann wür¬ den wir viel mehr Freude an den Dingen dieſer Erde haben. Aber wenn ein Übermaß von Wünſchen und Begehrungen in uns iſt, ſo hören wir nur dieſe im¬ mer an, und vermögen nicht die Unſchuld der Dinge außer uns zu faſſen. Leider heißen wir ſie wichtig, wenn ſie Gegenſtände unſerer Leidenſchaften ſind, und Stifter, Nachſommer. I. 22

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/351>, abgerufen am 22.11.2024.