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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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ten uns gegenseitig eine gute Nacht, nahmen Lichter,
und begaben uns auf unsere Zimmer.

Ich entkleidete mich, legte mich auf mein Bett,
löschte die Lichter aus, und ließ mein heftiges Herz
nach und nach in Ruhe kommen. Es war schon bei¬
nahe gegen Morgen, als ich einschlief.

Das erste, was ich am andern Tage that, war,
daß ich den Vater um die Werke Shakespeare's aus
seiner Büchersammlung bath, und sie, da ich sie hatte,
in meinem Zimmer zur Lesung für diesen Winter zu¬
recht legte. Ich übte mich wieder im Englischen, da¬
mit ich sie nicht in einer Übersezung lesen müsse.

Als ich im vergangenen Sommer von meinem
alten Gastfreunde Abschied genommen hatte, und an
dem Saume seines Waldes auf der Landstraße dahin
ging, waren mir zwei in einem Wagen fahrende
Frauen begegnet. Damals hatte ich gedacht, daß das
menschliche Angesicht der beste Gegenstand für das
Zeichnen sein dürfte. Dieser Gedanke fiel mir wieder
ein, und ich suchte mir Kenntnisse über das mensch¬
liche Antliz zu verschaffen. Ich ging in die kaiserliche
Bildersammlung, und betrachtete dort alle schönen
Mädchenköpfe, welche ich abgemalt fand. Ich ging
öfter hin, und betrachtete die Köpfe. Aber auch von

ten uns gegenſeitig eine gute Nacht, nahmen Lichter,
und begaben uns auf unſere Zimmer.

Ich entkleidete mich, legte mich auf mein Bett,
löſchte die Lichter aus, und ließ mein heftiges Herz
nach und nach in Ruhe kommen. Es war ſchon bei¬
nahe gegen Morgen, als ich einſchlief.

Das erſte, was ich am andern Tage that, war,
daß ich den Vater um die Werke Shakeſpeare's aus
ſeiner Bücherſammlung bath, und ſie, da ich ſie hatte,
in meinem Zimmer zur Leſung für dieſen Winter zu¬
recht legte. Ich übte mich wieder im Engliſchen, da¬
mit ich ſie nicht in einer Überſezung leſen müſſe.

Als ich im vergangenen Sommer von meinem
alten Gaſtfreunde Abſchied genommen hatte, und an
dem Saume ſeines Waldes auf der Landſtraße dahin
ging, waren mir zwei in einem Wagen fahrende
Frauen begegnet. Damals hatte ich gedacht, daß das
menſchliche Angeſicht der beſte Gegenſtand für das
Zeichnen ſein dürfte. Dieſer Gedanke fiel mir wieder
ein, und ich ſuchte mir Kenntniſſe über das menſch¬
liche Antliz zu verſchaffen. Ich ging in die kaiſerliche
Bilderſammlung, und betrachtete dort alle ſchönen
Mädchenköpfe, welche ich abgemalt fand. Ich ging
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[308/0322] ten uns gegenſeitig eine gute Nacht, nahmen Lichter, und begaben uns auf unſere Zimmer. Ich entkleidete mich, legte mich auf mein Bett, löſchte die Lichter aus, und ließ mein heftiges Herz nach und nach in Ruhe kommen. Es war ſchon bei¬ nahe gegen Morgen, als ich einſchlief. Das erſte, was ich am andern Tage that, war, daß ich den Vater um die Werke Shakeſpeare's aus ſeiner Bücherſammlung bath, und ſie, da ich ſie hatte, in meinem Zimmer zur Leſung für dieſen Winter zu¬ recht legte. Ich übte mich wieder im Engliſchen, da¬ mit ich ſie nicht in einer Überſezung leſen müſſe. Als ich im vergangenen Sommer von meinem alten Gaſtfreunde Abſchied genommen hatte, und an dem Saume ſeines Waldes auf der Landſtraße dahin ging, waren mir zwei in einem Wagen fahrende Frauen begegnet. Damals hatte ich gedacht, daß das menſchliche Angeſicht der beſte Gegenſtand für das Zeichnen ſein dürfte. Dieſer Gedanke fiel mir wieder ein, und ich ſuchte mir Kenntniſſe über das menſch¬ liche Antliz zu verſchaffen. Ich ging in die kaiſerliche Bilderſammlung, und betrachtete dort alle ſchönen Mädchenköpfe, welche ich abgemalt fand. Ich ging öfter hin, und betrachtete die Köpfe. Aber auch von

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/322>, abgerufen am 25.11.2024.