machte einen Weg in den Umgebungen derselben. Das Zuträgliche der starken Gebirgsluft ersezte mir hier die Herbstluft, die immer rauher wurde, und ich ging ihr sehr gerne entgegen, wenn sie mit Nebeln gefüllt oder hart von den Bergen her wehte, die ge¬ gen Westen die Umgebungen unserer Stadt säumten.
Ich fing auch in jener Zeit an, das Theater zu¬ weilen zu besuchen. Der Vater hatte, so lange wir Kinder waren, nie erlaubt, daß wir ein Schauspiel zu sehen bekämen. Er sagte, es würde dadurch die Einbildungskraft der Kinder überreizt und überstürzt, sie behingen sich mit allerlei willkührlichen Gefüh¬ len, und geriethen dann in Begierden oder gar Lei¬ denschaften. Da wir mehr herangewachsen waren, was bei mir schon seit längerer Zeit bei der Schwester aber kaum seit einem Jahre der Fall war, durften wir zu seltenen Zeiten das Hoftheater besuchen. Der Va¬ ter wählte zu diesen Besuchen jene Stücke aus, von denen er glaubte, daß sie uns angemessen wären, und unser Wesen förderten. In die Oper oder gar in das Ballet durften wir nie gehen, eben so wenig durften wir ein Vorstadttheater besuchen. Wir sahen auch die Aufführung eines Schauspiels nie anders als in Ge¬ sellschaft unserer Eltern. Seit ich selbstständig gestellt
machte einen Weg in den Umgebungen derſelben. Das Zuträgliche der ſtarken Gebirgsluft erſezte mir hier die Herbſtluft, die immer rauher wurde, und ich ging ihr ſehr gerne entgegen, wenn ſie mit Nebeln gefüllt oder hart von den Bergen her wehte, die ge¬ gen Weſten die Umgebungen unſerer Stadt ſäumten.
Ich fing auch in jener Zeit an, das Theater zu¬ weilen zu beſuchen. Der Vater hatte, ſo lange wir Kinder waren, nie erlaubt, daß wir ein Schauſpiel zu ſehen bekämen. Er ſagte, es würde dadurch die Einbildungskraft der Kinder überreizt und überſtürzt, ſie behingen ſich mit allerlei willkührlichen Gefüh¬ len, und geriethen dann in Begierden oder gar Lei¬ denſchaften. Da wir mehr herangewachſen waren, was bei mir ſchon ſeit längerer Zeit bei der Schweſter aber kaum ſeit einem Jahre der Fall war, durften wir zu ſeltenen Zeiten das Hoftheater beſuchen. Der Va¬ ter wählte zu dieſen Beſuchen jene Stücke aus, von denen er glaubte, daß ſie uns angemeſſen wären, und unſer Weſen förderten. In die Oper oder gar in das Ballet durften wir nie gehen, eben ſo wenig durften wir ein Vorſtadttheater beſuchen. Wir ſahen auch die Aufführung eines Schauſpiels nie anders als in Ge¬ ſellſchaft unſerer Eltern. Seit ich ſelbſtſtändig geſtellt
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machte einen Weg in den Umgebungen derſelben.
Das Zuträgliche der ſtarken Gebirgsluft erſezte mir
hier die Herbſtluft, die immer rauher wurde, und ich
ging ihr ſehr gerne entgegen, wenn ſie mit Nebeln
gefüllt oder hart von den Bergen her wehte, die ge¬
gen Weſten die Umgebungen unſerer Stadt ſäumten.
Ich fing auch in jener Zeit an, das Theater zu¬
weilen zu beſuchen. Der Vater hatte, ſo lange wir
Kinder waren, nie erlaubt, daß wir ein Schauſpiel
zu ſehen bekämen. Er ſagte, es würde dadurch die
Einbildungskraft der Kinder überreizt und überſtürzt,
ſie behingen ſich mit allerlei willkührlichen Gefüh¬
len, und geriethen dann in Begierden oder gar Lei¬
denſchaften. Da wir mehr herangewachſen waren,
was bei mir ſchon ſeit längerer Zeit bei der Schweſter
aber kaum ſeit einem Jahre der Fall war, durften wir
zu ſeltenen Zeiten das Hoftheater beſuchen. Der Va¬
ter wählte zu dieſen Beſuchen jene Stücke aus, von
denen er glaubte, daß ſie uns angemeſſen wären, und
unſer Weſen förderten. In die Oper oder gar in das
Ballet durften wir nie gehen, eben ſo wenig durften
wir ein Vorſtadttheater beſuchen. Wir ſahen auch die
Aufführung eines Schauſpiels nie anders als in Ge¬
ſellſchaft unſerer Eltern. Seit ich ſelbſtſtändig geſtellt
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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/309>, abgerufen am 22.11.2024.
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