wesen. Der Kreis der Familien, mit denen wir ver¬ kehrten, hatte keine große Ausdehnung gehabt, und auch da hatten sich die Zusammenkünfte mehr auf ge¬ legentliche Besuche oder auf Spiele der Kinder im Garten beschränkt. Jezt wurde es anders. Zu Klotil¬ den kamen Freundinen, mit deren Eltern wir in Ver¬ bindung gewesen waren, diese hatten wieder Ver¬ wandte und Bekannte, mit denen wir nach und nach in Beziehungen geriethen. Es kamen Leute zu uns, es wurde Musik gemacht, vorgelesen, wir kamen auch zu anderen Leuten, wo man sich ebenfalls mit Musik und ähnlichen Dingen unterhielt. Diese Verhältnisse üb¬ ten aber auf unser Haus keinen so wesentlichen Ein¬ fluß aus, daß sie dasselbe umgestaltet hätten. Ich lernte außer den Freunden, die ich schon hatte, und an deren Art und Weise ich gewöhnt war, noch neue kennen. Sie hatten meistens ganz andere Bestrebun¬ gen als ich, und schienen mir in den meisten Dingen überlegen zu sein. Sie hielten mich auch für beson¬ ders, und zwar zuerst darum, weil die Art der Er¬ ziehung in unserem Hause eine andere gewesen war als in anderen Häusern, und dann, weil ich mich mit anderen Dingen beschäftigte, als auf die sie ihre Wünsche und Begierden richteten. Ich vermuthete,
weſen. Der Kreis der Familien, mit denen wir ver¬ kehrten, hatte keine große Ausdehnung gehabt, und auch da hatten ſich die Zuſammenkünfte mehr auf ge¬ legentliche Beſuche oder auf Spiele der Kinder im Garten beſchränkt. Jezt wurde es anders. Zu Klotil¬ den kamen Freundinen, mit deren Eltern wir in Ver¬ bindung geweſen waren, dieſe hatten wieder Ver¬ wandte und Bekannte, mit denen wir nach und nach in Beziehungen geriethen. Es kamen Leute zu uns, es wurde Muſik gemacht, vorgeleſen, wir kamen auch zu anderen Leuten, wo man ſich ebenfalls mit Muſik und ähnlichen Dingen unterhielt. Dieſe Verhältniſſe üb¬ ten aber auf unſer Haus keinen ſo weſentlichen Ein¬ fluß aus, daß ſie daſſelbe umgeſtaltet hätten. Ich lernte außer den Freunden, die ich ſchon hatte, und an deren Art und Weiſe ich gewöhnt war, noch neue kennen. Sie hatten meiſtens ganz andere Beſtrebun¬ gen als ich, und ſchienen mir in den meiſten Dingen überlegen zu ſein. Sie hielten mich auch für beſon¬ ders, und zwar zuerſt darum, weil die Art der Er¬ ziehung in unſerem Hauſe eine andere geweſen war als in anderen Häuſern, und dann, weil ich mich mit anderen Dingen beſchäftigte, als auf die ſie ihre Wünſche und Begierden richteten. Ich vermuthete,
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weſen. Der Kreis der Familien, mit denen wir ver¬
kehrten, hatte keine große Ausdehnung gehabt, und
auch da hatten ſich die Zuſammenkünfte mehr auf ge¬
legentliche Beſuche oder auf Spiele der Kinder im
Garten beſchränkt. Jezt wurde es anders. Zu Klotil¬
den kamen Freundinen, mit deren Eltern wir in Ver¬
bindung geweſen waren, dieſe hatten wieder Ver¬
wandte und Bekannte, mit denen wir nach und nach
in Beziehungen geriethen. Es kamen Leute zu uns, es
wurde Muſik gemacht, vorgeleſen, wir kamen auch zu
anderen Leuten, wo man ſich ebenfalls mit Muſik und
ähnlichen Dingen unterhielt. Dieſe Verhältniſſe üb¬
ten aber auf unſer Haus keinen ſo weſentlichen Ein¬
fluß aus, daß ſie daſſelbe umgeſtaltet hätten. Ich
lernte außer den Freunden, die ich ſchon hatte, und
an deren Art und Weiſe ich gewöhnt war, noch neue
kennen. Sie hatten meiſtens ganz andere Beſtrebun¬
gen als ich, und ſchienen mir in den meiſten Dingen
überlegen zu ſein. Sie hielten mich auch für beſon¬
ders, und zwar zuerſt darum, weil die Art der Er¬
ziehung in unſerem Hauſe eine andere geweſen war
als in anderen Häuſern, und dann, weil ich mich mit
anderen Dingen beſchäftigte, als auf die ſie ihre
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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/302>, abgerufen am 22.11.2024.
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