Vorräthe, indem er die Fächer herauszog, und mir die Sämereien wies. Die Speisen, welche eben nicht in Sämereien bestehen, wie Eier Brod Speck, werden beim Bedarfe aus der Speisekammer des Hauses ge¬ nommen.
"Meine Nachbaren äußerten schon," sagte mein Begleiter, "daß außer der Mühe, die das Erhalten der Singvögel macht, auch die Kosten zu ihrer Ernäh¬ rung in keinem Verhältnisse zu ihrem Nuzen stehen. Aber das ist unrichtig. Die Mühe ist ein Vergnügen, das wird der, welcher einmal anfängt, bald inne wer¬ den, so wie der Blumenfreund keine Mühe sondern nur Pflege kennt, welche zudem bei den Blumen viel mehr Thätigkeit in Anspruch nimmt als das Ziehen der Gesangvögel im Freien; die Kosten aber sind in der That nicht ganz unbedeutend; allein wenn ich die edlen Früchte eines einzigen Pflaumenbaumes, welchen mir die Raupen der Vögel wegen nicht abgefressen haben, verkaufe, so deckt der Kaufschilling die Nah¬ rungskosten der Sänger ganz und gar. Freilich ist der Nuzen desto größer, je edler das Obst ist, welches in dem Garten gezogen wird, und dazu, daß sie edles Obst in dieser Gegend ziehen, sind sie schwer zu be¬ wegen, weil sie meinen, es gehe nicht. Wir müssen
Stifter, Nachsommer. I. 17
Vorräthe, indem er die Fächer herauszog, und mir die Sämereien wies. Die Speiſen, welche eben nicht in Sämereien beſtehen, wie Eier Brod Speck, werden beim Bedarfe aus der Speiſekammer des Hauſes ge¬ nommen.
„Meine Nachbaren äußerten ſchon,“ ſagte mein Begleiter, „daß außer der Mühe, die das Erhalten der Singvögel macht, auch die Koſten zu ihrer Ernäh¬ rung in keinem Verhältniſſe zu ihrem Nuzen ſtehen. Aber das iſt unrichtig. Die Mühe iſt ein Vergnügen, das wird der, welcher einmal anfängt, bald inne wer¬ den, ſo wie der Blumenfreund keine Mühe ſondern nur Pflege kennt, welche zudem bei den Blumen viel mehr Thätigkeit in Anſpruch nimmt als das Ziehen der Geſangvögel im Freien; die Koſten aber ſind in der That nicht ganz unbedeutend; allein wenn ich die edlen Früchte eines einzigen Pflaumenbaumes, welchen mir die Raupen der Vögel wegen nicht abgefreſſen haben, verkaufe, ſo deckt der Kaufſchilling die Nah¬ rungskoſten der Sänger ganz und gar. Freilich iſt der Nuzen deſto größer, je edler das Obſt iſt, welches in dem Garten gezogen wird, und dazu, daß ſie edles Obſt in dieſer Gegend ziehen, ſind ſie ſchwer zu be¬ wegen, weil ſie meinen, es gehe nicht. Wir müſſen
Stifter, Nachſommer. I. 17
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Vorräthe, indem er die Fächer herauszog, und mir die
Sämereien wies. Die Speiſen, welche eben nicht in
Sämereien beſtehen, wie Eier Brod Speck, werden
beim Bedarfe aus der Speiſekammer des Hauſes ge¬
nommen.
„Meine Nachbaren äußerten ſchon,“ ſagte mein
Begleiter, „daß außer der Mühe, die das Erhalten
der Singvögel macht, auch die Koſten zu ihrer Ernäh¬
rung in keinem Verhältniſſe zu ihrem Nuzen ſtehen.
Aber das iſt unrichtig. Die Mühe iſt ein Vergnügen,
das wird der, welcher einmal anfängt, bald inne wer¬
den, ſo wie der Blumenfreund keine Mühe ſondern
nur Pflege kennt, welche zudem bei den Blumen viel
mehr Thätigkeit in Anſpruch nimmt als das Ziehen
der Geſangvögel im Freien; die Koſten aber ſind in
der That nicht ganz unbedeutend; allein wenn ich die
edlen Früchte eines einzigen Pflaumenbaumes, welchen
mir die Raupen der Vögel wegen nicht abgefreſſen
haben, verkaufe, ſo deckt der Kaufſchilling die Nah¬
rungskoſten der Sänger ganz und gar. Freilich iſt der
Nuzen deſto größer, je edler das Obſt iſt, welches
in dem Garten gezogen wird, und dazu, daß ſie edles
Obſt in dieſer Gegend ziehen, ſind ſie ſchwer zu be¬
wegen, weil ſie meinen, es gehe nicht. Wir müſſen
Stifter, Nachſommer. I. 17
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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/271>, abgerufen am 22.11.2024.
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