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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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Verjagen half nicht, weil sie wieder kamen, und doch
nicht Tag und Nacht jemand in der Baumschule Wache
stehen konnte. Da dachte ich: die armen Diebe fres¬
sen die Rinde nur, weil sie nichts Besseres haben,
hätten sie es, so ließen sie die Rinde stehen. Ich sam¬
melte nun alle Abfälle von Kohl und ähnlichen Pflan¬
zen, die im Garten und auf den Feldern übrig blieben,
bewahrte sie im Keller auf, und legte sie bei Frost und
hohem Schnee theilweise auf die Felder außerhalb des
Gartens. Meine Absicht wurde belohnt: die Hasen
fraßen von den Dingen, und ließen unsere Baum¬
schule in Ruhe. Endlich wurde die Zahl der Gäste
immer mehr, da sie die wohleingerichtete Tafel ent¬
deckten ; aber weil sie mit dem Schlechtesten selbst mit
den dicken Strünken des Kohles zufrieden waren, und
ich mir solche von unseren Feldern und von Nachbarn
leicht erwerben konnte, so fragte ich nichts darnach,
und fütterte. Ich sah ihnen oft aus dem Dachfenster
mit dem Fernrohre zu. Es ist possirlich, wenn sie von
der Ferne herzulaufen, dem bequem daliegenden Fraße
mißtrauen, Männchen machen, hüpfen, dann aber sich
doch nicht helfen können, herzustürzen, und von dem
Zeuge hastig fressen, das sie im Sommer nicht an¬
schauen würden. Manche Leute legten Schlingen, da

Verjagen half nicht, weil ſie wieder kamen, und doch
nicht Tag und Nacht jemand in der Baumſchule Wache
ſtehen konnte. Da dachte ich: die armen Diebe freſ¬
ſen die Rinde nur, weil ſie nichts Beſſeres haben,
hätten ſie es, ſo ließen ſie die Rinde ſtehen. Ich ſam¬
melte nun alle Abfälle von Kohl und ähnlichen Pflan¬
zen, die im Garten und auf den Feldern übrig blieben,
bewahrte ſie im Keller auf, und legte ſie bei Froſt und
hohem Schnee theilweiſe auf die Felder außerhalb des
Gartens. Meine Abſicht wurde belohnt: die Haſen
fraßen von den Dingen, und ließen unſere Baum¬
ſchule in Ruhe. Endlich wurde die Zahl der Gäſte
immer mehr, da ſie die wohleingerichtete Tafel ent¬
deckten ; aber weil ſie mit dem Schlechteſten ſelbſt mit
den dicken Strünken des Kohles zufrieden waren, und
ich mir ſolche von unſeren Feldern und von Nachbarn
leicht erwerben konnte, ſo fragte ich nichts darnach,
und fütterte. Ich ſah ihnen oft aus dem Dachfenſter
mit dem Fernrohre zu. Es iſt poſſirlich, wenn ſie von
der Ferne herzulaufen, dem bequem daliegenden Fraße
mißtrauen, Männchen machen, hüpfen, dann aber ſich
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[255/0269] Verjagen half nicht, weil ſie wieder kamen, und doch nicht Tag und Nacht jemand in der Baumſchule Wache ſtehen konnte. Da dachte ich: die armen Diebe freſ¬ ſen die Rinde nur, weil ſie nichts Beſſeres haben, hätten ſie es, ſo ließen ſie die Rinde ſtehen. Ich ſam¬ melte nun alle Abfälle von Kohl und ähnlichen Pflan¬ zen, die im Garten und auf den Feldern übrig blieben, bewahrte ſie im Keller auf, und legte ſie bei Froſt und hohem Schnee theilweiſe auf die Felder außerhalb des Gartens. Meine Abſicht wurde belohnt: die Haſen fraßen von den Dingen, und ließen unſere Baum¬ ſchule in Ruhe. Endlich wurde die Zahl der Gäſte immer mehr, da ſie die wohleingerichtete Tafel ent¬ deckten ; aber weil ſie mit dem Schlechteſten ſelbſt mit den dicken Strünken des Kohles zufrieden waren, und ich mir ſolche von unſeren Feldern und von Nachbarn leicht erwerben konnte, ſo fragte ich nichts darnach, und fütterte. Ich ſah ihnen oft aus dem Dachfenſter mit dem Fernrohre zu. Es iſt poſſirlich, wenn ſie von der Ferne herzulaufen, dem bequem daliegenden Fraße mißtrauen, Männchen machen, hüpfen, dann aber ſich doch nicht helfen können, herzuſtürzen, und von dem Zeuge haſtig freſſen, das ſie im Sommer nicht an¬ ſchauen würden. Manche Leute legten Schlingen, da

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/269>, abgerufen am 25.11.2024.