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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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Sprechen wir von der Menge. Alle Singvögel, wenn
sie auch später Sämereien fressen, nähren doch ihre
Jungen von Raupen Insekten Würmern, und da diese
Jungen so schnell wachsen, und so zu sagen unauf¬
hörlich essen, so bringt ein einziges Paar in einem
einzigen Tage eine erkleckliche Menge von solchen
Thierchen in das Nest, was erst hundert Paare in
zehn vierzehn zwanzig Tagen. So lange brauchen un¬
gefähr die Jungen zum Flüggewerden. Und alle Stel¬
len, wie zahlreich sie auch sein können, werden von
den geschäftigen Eltern durchsucht. Sprechen wir
von der Kleinheit der Thierchen. Sie oder ihre Lar¬
ven und Eier mögen noch so klein sein, von den
scharfen spähenden Augen eines Vogels werden sie
entdeckt. Ja manche Vögel, wie das Goldhähnchen
der Zaunkönig, dürfen ihren Jungen nur die kleinsten
Nahrungsstückchen bringen, weil dieselben, wenn sie
dem Ei entschlüpft sind, selber kaum so groß wie eine
Fliege oder eine kleine Spinne sind. Gehen wir end¬
lich auf die Abgelegenheit und Unerreichbarkeit der
Aufenthaltsorte der Insekten über, so sind sie dadurch
nicht vor dem Schnabel der Vögel geschüzt, wenn sie
für ihre Jungen oder sich Nahrung brauchen. Was
wäre einem Vogel leicht unzugänglich? In die höchsten

Sprechen wir von der Menge. Alle Singvögel, wenn
ſie auch ſpäter Sämereien freſſen, nähren doch ihre
Jungen von Raupen Inſekten Würmern, und da dieſe
Jungen ſo ſchnell wachſen, und ſo zu ſagen unauf¬
hörlich eſſen, ſo bringt ein einziges Paar in einem
einzigen Tage eine erkleckliche Menge von ſolchen
Thierchen in das Neſt, was erſt hundert Paare in
zehn vierzehn zwanzig Tagen. So lange brauchen un¬
gefähr die Jungen zum Flüggewerden. Und alle Stel¬
len, wie zahlreich ſie auch ſein können, werden von
den geſchäftigen Eltern durchſucht. Sprechen wir
von der Kleinheit der Thierchen. Sie oder ihre Lar¬
ven und Eier mögen noch ſo klein ſein, von den
ſcharfen ſpähenden Augen eines Vogels werden ſie
entdeckt. Ja manche Vögel, wie das Goldhähnchen
der Zaunkönig, dürfen ihren Jungen nur die kleinſten
Nahrungsſtückchen bringen, weil dieſelben, wenn ſie
dem Ei entſchlüpft ſind, ſelber kaum ſo groß wie eine
Fliege oder eine kleine Spinne ſind. Gehen wir end¬
lich auf die Abgelegenheit und Unerreichbarkeit der
Aufenthaltsorte der Inſekten über, ſo ſind ſie dadurch
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[242/0256] Sprechen wir von der Menge. Alle Singvögel, wenn ſie auch ſpäter Sämereien freſſen, nähren doch ihre Jungen von Raupen Inſekten Würmern, und da dieſe Jungen ſo ſchnell wachſen, und ſo zu ſagen unauf¬ hörlich eſſen, ſo bringt ein einziges Paar in einem einzigen Tage eine erkleckliche Menge von ſolchen Thierchen in das Neſt, was erſt hundert Paare in zehn vierzehn zwanzig Tagen. So lange brauchen un¬ gefähr die Jungen zum Flüggewerden. Und alle Stel¬ len, wie zahlreich ſie auch ſein können, werden von den geſchäftigen Eltern durchſucht. Sprechen wir von der Kleinheit der Thierchen. Sie oder ihre Lar¬ ven und Eier mögen noch ſo klein ſein, von den ſcharfen ſpähenden Augen eines Vogels werden ſie entdeckt. Ja manche Vögel, wie das Goldhähnchen der Zaunkönig, dürfen ihren Jungen nur die kleinſten Nahrungsſtückchen bringen, weil dieſelben, wenn ſie dem Ei entſchlüpft ſind, ſelber kaum ſo groß wie eine Fliege oder eine kleine Spinne ſind. Gehen wir end¬ lich auf die Abgelegenheit und Unerreichbarkeit der Aufenthaltsorte der Inſekten über, ſo ſind ſie dadurch nicht vor dem Schnabel der Vögel geſchüzt, wenn ſie für ihre Jungen oder ſich Nahrung brauchen. Was wäre einem Vogel leicht unzugänglich? In die höchſten

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/256>, abgerufen am 22.11.2024.