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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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man in Zukunft auch andere gewähren lassen, die
minder zweifelsüchtig sind, oder im Eifer für das
Schöne nach ihrer Art verfahren, und das Wesen des
Überkommenen zerstören."

"Und glaubt ihr, daß ein Gesez, welches verbie¬
thet, an dem Wesen eines vorgefundenen Kunstwerkes
etwas zu ändern, dem Verfalle und der Zerstö¬
rung desselben für alle Zeiten vorbeugen würde?"
fragte ich.

"Das glaube ich nicht," erwiederte er; "denn es
können Zeiten so geringen Kunstsinnes kommen, daß
sie das Gesez selber aufheben; aber auf eine längere
Dauer und auf eine bessere Weise wäre doch durch
ein solches Gesez gesorgt, als wenn gar keines wäre.
Den besten Schuz für Kunstwerke der Vorzeit würde
freilich eine fortschreitende und nicht mehr erlahmende
Kunstempfindung gewähren. Aber alle Mittel auch in
ihrer größten Vollkommenheit angewendet würden den
endlichen Untergang eines Kunstwerkes nicht aufhalten
können; dies liegt in der immerwährenden Thätigkeit
und in dem Umwandlungstriebe der Menschen und in
der Vergänglichkeit des Stoffes. Alles, was ist, wie
groß und gut es sei, besteht eine Zeit, erfüllt einen
Zweck, und geht vorüber. Und so wird auch einmal

man in Zukunft auch andere gewähren laſſen, die
minder zweifelſüchtig ſind, oder im Eifer für das
Schöne nach ihrer Art verfahren, und das Weſen des
Überkommenen zerſtören.“

„Und glaubt ihr, daß ein Geſez, welches verbie¬
thet, an dem Weſen eines vorgefundenen Kunſtwerkes
etwas zu ändern, dem Verfalle und der Zerſtö¬
rung desſelben für alle Zeiten vorbeugen würde?“
fragte ich.

„Das glaube ich nicht,“ erwiederte er; „denn es
können Zeiten ſo geringen Kunſtſinnes kommen, daß
ſie das Geſez ſelber aufheben; aber auf eine längere
Dauer und auf eine beſſere Weiſe wäre doch durch
ein ſolches Geſez geſorgt, als wenn gar keines wäre.
Den beſten Schuz für Kunſtwerke der Vorzeit würde
freilich eine fortſchreitende und nicht mehr erlahmende
Kunſtempfindung gewähren. Aber alle Mittel auch in
ihrer größten Vollkommenheit angewendet würden den
endlichen Untergang eines Kunſtwerkes nicht aufhalten
können; dies liegt in der immerwährenden Thätigkeit
und in dem Umwandlungstriebe der Menſchen und in
der Vergänglichkeit des Stoffes. Alles, was iſt, wie
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[167/0181] man in Zukunft auch andere gewähren laſſen, die minder zweifelſüchtig ſind, oder im Eifer für das Schöne nach ihrer Art verfahren, und das Weſen des Überkommenen zerſtören.“ „Und glaubt ihr, daß ein Geſez, welches verbie¬ thet, an dem Weſen eines vorgefundenen Kunſtwerkes etwas zu ändern, dem Verfalle und der Zerſtö¬ rung desſelben für alle Zeiten vorbeugen würde?“ fragte ich. „Das glaube ich nicht,“ erwiederte er; „denn es können Zeiten ſo geringen Kunſtſinnes kommen, daß ſie das Geſez ſelber aufheben; aber auf eine längere Dauer und auf eine beſſere Weiſe wäre doch durch ein ſolches Geſez geſorgt, als wenn gar keines wäre. Den beſten Schuz für Kunſtwerke der Vorzeit würde freilich eine fortſchreitende und nicht mehr erlahmende Kunſtempfindung gewähren. Aber alle Mittel auch in ihrer größten Vollkommenheit angewendet würden den endlichen Untergang eines Kunſtwerkes nicht aufhalten können; dies liegt in der immerwährenden Thätigkeit und in dem Umwandlungstriebe der Menſchen und in der Vergänglichkeit des Stoffes. Alles, was iſt, wie groß und gut es ſei, beſteht eine Zeit, erfüllt einen Zweck, und geht vorüber. Und ſo wird auch einmal

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/181>, abgerufen am 24.11.2024.