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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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Sie hatten vorne Glastafeln, hinter den Glastafeln
grünen Seidenstoff, und waren mit Büchern angefüllt.
Der Vater hatte darum die grünen Seidenvorhänge,
weil er es nicht leiden konnte, daß die Aufschriften der
Bücher, die gewöhnlich mit goldenen Buchstaben auf
dem Rücken derselben standen, hinter dem Glase von
allen Leuten gelesen werden konnten, gleichsam als
wolle er mit den Büchern prahlen, die er habe. Vor
diesen Kästen stand er gerne und öfter, wenn er sich
nach Tische oder zu einer andern Zeit einen Augen¬
blick abkargen konnte, machte die Flügel eines Kastens
auf, sah die Bücher an, nahm eines oder das andere
heraus, blickte hinein, und stellte es wieder an seinen
Plaz. An Abenden, von denen er selten einen außer
Hause zubrachte, außer wenn er in Stadtgeschäften
abwesend war, oder mit der Mutter ein Schauspiel
besuchte, was er zuweilen und gerne that, saß er häu¬
fig eine Stunde öfter aber auch zwei oder gar darüber
an einem kunstreich geschnizten alten Tische, der im
Bücherzimmer auf einem ebenfalls alterthümlichen
Teppiche stand, und las. Da durfte man ihn nicht
stören, und niemand durfte durch das Bücherzimmer
gehen. Dann kam er heraus, und sagte, jezt könne
man zum Abendessen gehen, bei dem die Handels¬

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Sie hatten vorne Glastafeln, hinter den Glastafeln
grünen Seidenſtoff, und waren mit Büchern angefüllt.
Der Vater hatte darum die grünen Seidenvorhänge,
weil er es nicht leiden konnte, daß die Aufſchriften der
Bücher, die gewöhnlich mit goldenen Buchſtaben auf
dem Rücken derſelben ſtanden, hinter dem Glaſe von
allen Leuten geleſen werden konnten, gleichſam als
wolle er mit den Büchern prahlen, die er habe. Vor
dieſen Käſten ſtand er gerne und öfter, wenn er ſich
nach Tiſche oder zu einer andern Zeit einen Augen¬
blick abkargen konnte, machte die Flügel eines Kaſtens
auf, ſah die Bücher an, nahm eines oder das andere
heraus, blickte hinein, und ſtellte es wieder an ſeinen
Plaz. An Abenden, von denen er ſelten einen außer
Hauſe zubrachte, außer wenn er in Stadtgeſchäften
abweſend war, oder mit der Mutter ein Schauſpiel
beſuchte, was er zuweilen und gerne that, ſaß er häu¬
fig eine Stunde öfter aber auch zwei oder gar darüber
an einem kunſtreich geſchnizten alten Tiſche, der im
Bücherzimmer auf einem ebenfalls alterthümlichen
Teppiche ſtand, und las. Da durfte man ihn nicht
ſtören, und niemand durfte durch das Bücherzimmer
gehen. Dann kam er heraus, und ſagte, jezt könne
man zum Abendeſſen gehen, bei dem die Handels¬

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[3/0017] Sie hatten vorne Glastafeln, hinter den Glastafeln grünen Seidenſtoff, und waren mit Büchern angefüllt. Der Vater hatte darum die grünen Seidenvorhänge, weil er es nicht leiden konnte, daß die Aufſchriften der Bücher, die gewöhnlich mit goldenen Buchſtaben auf dem Rücken derſelben ſtanden, hinter dem Glaſe von allen Leuten geleſen werden konnten, gleichſam als wolle er mit den Büchern prahlen, die er habe. Vor dieſen Käſten ſtand er gerne und öfter, wenn er ſich nach Tiſche oder zu einer andern Zeit einen Augen¬ blick abkargen konnte, machte die Flügel eines Kaſtens auf, ſah die Bücher an, nahm eines oder das andere heraus, blickte hinein, und ſtellte es wieder an ſeinen Plaz. An Abenden, von denen er ſelten einen außer Hauſe zubrachte, außer wenn er in Stadtgeſchäften abweſend war, oder mit der Mutter ein Schauſpiel beſuchte, was er zuweilen und gerne that, ſaß er häu¬ fig eine Stunde öfter aber auch zwei oder gar darüber an einem kunſtreich geſchnizten alten Tiſche, der im Bücherzimmer auf einem ebenfalls alterthümlichen Teppiche ſtand, und las. Da durfte man ihn nicht ſtören, und niemand durfte durch das Bücherzimmer gehen. Dann kam er heraus, und ſagte, jezt könne man zum Abendeſſen gehen, bei dem die Handels¬ 1 *

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/17>, abgerufen am 23.11.2024.